Maechtig, mutig und genial
andere Schwächen, doch sie sind ihnen ebenbürtig. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, bei Frauen und bei Männern, die Frauen dazu zu ermutigen, sich ihren Platz in der Gesellschaft zu erkämpfen, darf man getrost als ein Lebensziel der Autorin bezeichnen. »Ich wollte nie Krieg gegen die Männer führen, ich möchte sie verändern«, erklärte sie einmal der
Süddeutschen Zeitung
.
Die Kritik hatte
Das Geisterhaus
vorwiegend begeistert aufgenommen, nicht zuletzt, weil die Autorin es verstanden hat, die chilenische Gesellschaft mit all ihrem Dünkel und ihren Klassenunterschieden und -schranken nachzuzeichnen, die eine Ursache dafür waren, dass der Putsch Pinochets in den »besseren Kreisen« auf Zustimmung stieß. Und Allende wusste süffig, immer wieder Übersinnliches einflechtend, und mit unterschwelligem Humor zu fabulieren und ihre oftmals schrulligen Figuren plastisch zu schildern. Zwar sprach nur selten ein Kritiker Isabel Allende das Erzähltalent ab, doch
Von Liebe und Schatten
wurde von der Kritik um vieles verhaltener rezipiert. Man verzieh ihr nicht, dass sie die tragische Suche nach Verschwundenen – Hintergrund des Romans ist ein Massaker der Militärs an 15 Bauern im Norden Chiles – mit einer Liebesgeschichte verknüpft hatte und bezichtigte sie der Trivialität. Den Vorwurf würde sie sich künftig noch häufig gefallen lassenmüssen, doch ihr Publikum stört dies nicht. Auch wenn sie den Erfolg ihres Erstlings nicht wiederholen konnte – kein Buch von ihr, das nicht auf den Bestsellerlisten landete. »Der Grund wird sein, dass ich von Gefühlen spreche, und Gefühle, Leidenschaften, Träume, Obsessionen kennt man überall auf der Welt«, erklärt sie sich selbst ihren Erfolg. Dass man ihre Bücher als romantisch und kitschig bezeichnet, stört sie nicht: »Die Literaturkritik wird hauptsächlich von Männern gemacht, ihr liegen männliche Muster zugrunde.« Im Übrigen ginge es ihr nicht primär darum, Literatur zu produzieren, sie wolle die Herzen erreichen.
1985 macht Allende das Schreiben zu ihrem Hauptberuf, und 1987 kam ihr dritter Roman
Eva Luna
in Spanien auf den Markt, der nun nicht mehr in Chile, sondern in Caracas spielte, das sie jedoch im Jahr darauf verließ, der Liebe wegen. Als sie an der Universität von San José in Kalifornien einen Vortrag hielt, stellte ihr eine Bekannte einen Mann vor, der sie unbedingt kennenlernen wollte, weil er von ihren Büchern begeistert war. Sie verliebte sich in den Mann, den US-Anwalt William Gordon, ließ sich von Miguel Frías scheiden, und zog nach San Rafael bei San Francisco, wo sie noch heute mit Gordon lebt, den sie 1988 heiratete. In den folgenden Jahren nahm sie an verschiedenen US-Universitäten Gastprofessuren an.
Nach dem Kurzgeschichtenband
Geschichten der Eva Luna
veröffentlichte sie dann mit
Der unendliche Plan
einen Roman, der in ihrer neuen Heimat spielt. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, der im Los Angeles der mexikanischen Einwanderer als Sohn eines Sektenpredigers groß wird. Die Erlebnisse ihres Helden Gregory sind größtenteils der Biographie ihres Mannes William Gordon geschuldet, wie sie in ihrem dritten autobiographischen Band berichtet, der den Titel
Das Siegel der Tage
(2008) trägt. Gordon ist inzwischen auch schriftstellerisch tätig. Er hat mehrere Kriminalromane um einen Privatdetektiv aus San Francisco veröffentlicht, die auch ins Deutsche übersetzt wurden und vor der Kritik bestehen konnten.Den Geschmack seiner Ehefrau hat er damit allerdings nicht getroffen: Sie kann Krimis nicht viel abgewinnen.
Am 6. Dezember 1991 ereilte Isabel ein schwerer Schicksalsschlag. Ihre Tochter Paula, damals 27-jährig, fiel in einer Madrider Klinik in ein Koma, aus dem sie nicht wieder erwachen sollte. Sie litt an der Stoffwechselkrankheit Porphyrie. Nach einem Jahr starb sie im Haus der Familie in San Rafael. Auch William Gordon verlor im gleichen Jahr seine Tochter, sie starb an den Folgen einer Drogensucht.
In Madrid, in den Fluren des Krankhauses und am Bett ihrer Tochter schrieb Isabel ihr Leben, ihren Schmerz und ihre Freuden mit der Hand in einem Notizbuch nieder. Daraus wurden 190 Briefe, die meisten davon an ihre Mutter gerichtet. Am 8. Januar 1993, kurz nach Paulas Tod, begann sie auf Anraten der Mutter, sie zur Grundlage eines Buches zu machen, nicht zuletzt, um auf diese Weise Trauerarbeit zu leisten. Am 8. Januar, denn seit dem
Geisterhaus
beginnt sie alle ihre Bücher am 8. Januar.
Sie konzipierte das
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