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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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traditionellen Bälle und Bankette wurden opulenter, doch Elisa Lynch durfte erst daran teilnehmen, wenn sich das Präsidentenpaar zurückgezogen hatte. Dies änderte sich gleich nach Don Carlos Antonios Tod im Jahr 1862. Francisco Solano López ging nach seiner Amtsübernahme sofort daran, das altmodisch-steife Zeremoniell seines Vaters zu verändern. Elisa Lynch war nun bei öffentlichen Anlässen stets an seiner Seite, denn
Madama
, wie sie von den einfachen Paraguayern genannt wurde, war inzwischen zur zentralen Person im Leben von Franisco Solano López geworden. Sie gebar ihm im Laufe weniger Jahre sechs Kinder, von denen allerdings nur vier das Kindesalter überlebten. Juan Francisco, genannt Panchito, der 1855 in Buenos Aires geboren worden war, fiel am Ende des Krieges zusammen mit seinem Vater. Die ein Jahr später in Asunción zur Welt gekommene Corina Adelaida starb bereits nach einem Jahr. 1858 folgte Enrique Venancio, 1860 Federico Morgan, auch Noel oder Lloyd genannt, 1861 Carlos Honorio. Leopoldo, geboren 1862, starb kurz nach Kriegsende im Alter von acht Jahren in England. Auch der während des Krieges 1865 geborene Miguel Marcial starb bereits im Kindesalter. Vor allem Enrique Venancio, der drittgeborene, war ihr später eine Stütze und kehrte wie seindrei Jahre jüngerer Bruder Carlos nach Paraguay zurück. Er ging ebenfalls in die Politik und starb 1917.
    Doch zurück zu den Anfängen: Elisa zog auch nach der Amtsübernahme ihres Lebensgefährten offiziell nie in den Präsidentenpalast ein, sondern behielt ihr nach Pariser Art eingerichtetes Stadthaus sowie zwei Landhäuser. Später konnte sie darüber hinaus ausgesprochen günstig riesige Ländereien aus Staatsbesitz erwerben. Francisco Solano und Elisa pflegten einen luxuriösen Lebensstil mit europäischen Importwaren, auf die Elisa eine Art Monopol besaß. Was immer aus Europa gewünscht wurde, seien es teure Stoffe, Champagner oder die neuesten Modejournale, konnte man nun in Asunción bei Madame Lynch bewundern und über sie beziehen. Diesen neuen Standards konnten sich auch die Damen der Oberschicht nicht entziehen. Zumindest bei offiziellen Anlässen versuchten diese nun, der eleganten Mätresse nicht nachzustehen. Der Wandel des gesellschaftlichen Stils war so auffällig, dass sich Gerüchte mehrten, Francisco Solano López plane, ein südamerikanisches Kaiserreich zu errichten, und diese Idee, so mutmaßten später viele, sei wesentlich auf den Ehrgeiz seiner Geliebten zurückzuführen.
    An den eleganten Ereignissen im
Club Nacional
oder in den geräumigen Privathäusern der Familie López nahm als Zuschauer auch das Volk Anteil, zumal sowohl der charismatische Francisco Solano López als auch Elisa Lynch ihre mangelnde Akzeptanz seitens der Oberschicht durch populistische Handlungen gegenüber dem Volk auszugleichen versuchten. Beide waren regelmäßige Gäste bei den großen Festen auf den Plätzen der Hauptstadt. Moralische Vorbehalte brauchte Elisa bei der Unterschicht nicht zu fürchten. Wie weit die Identifikation der Unterschichtfrauen mit
Madama
ging, ist schwer zu sagen, vermutlich war sie trotz aller Volksnähe eine exotische Figur, bewundert und gefürchtet zugleich. So ist auch nicht klar, ob Elisa Lynch in ihrer Zeit in Paraguay das allgemein verbreitete Guaraní so gut lernte, dass sie sich mit deneinfachen Paraguayerinnen unterhalten konnte. Spanisch beherrschte sie bald gut, sprach allerdings mit Francisco Solano und ausländischen Gästen lieber Französisch.
    Der große Krieg von 1864–1870 veränderte jedoch alles. Machtkämpfe zwischen Brasilien und Argentinien, ungelöste territoriale Konflikte sowie interne Dynamiken der im Staatsund Nationsbildungsprozess begriffenen Länder führten zu einem Krieg zwischen Paraguay und der sogenannten Tripel-Allianz (Dreibund) von Brasilien, Argentinien und Uruguay, der sich über fünf Jahre erstreckte und auf allen Seiten einen enorm hohen Blutzoll forderte. Paraguay konnte der Übermacht seiner Gegner zwar unerwartet lange standhalten, war aber am Ende völlig zerstört und hatte ein Drittel seines Territoriums und gut die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. Die Ursachen für diese Katastrophe sind nach wie vor umstritten. Francisco Solano López stellte den Krieg, den er vom Zaum gebrochen hatte, nachdem Brasilien trotz aller Warnungen in Uruguay einmarschiert war, als einen Präventivkrieg zur Erhaltung des Gleichgewichtes in der Region und damit der Unabhängigkeit

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