Maechtig, mutig und genial
Cocabauern neu aufstellten und ab der Jahrtausendwende unter der Führung von Evo Morales für eine entscheidende Wende in der bolivianischen Politik sorgten.
Domitila Barrios lebte seither in Cochabamba, hatte sich aber aus der Politik zurückgezogen, seit ihr Versuch, bei den Wahlen 2001 mit einer eigenen Partei in die Politik zurückzukehren, fehlschlug. Zwar bemühte sich auch der
Movimiento al Socialismo
(dt.: Bewegung zum Sozialismus) von Evo Morales, die noch immer verehrte Gewerkschaftsaktivistin zu gewinnen, doch konnte sich Domitila mit dem neuen Kurs nicht identifizieren. Enttäuschung über die linken Parteien sowie eine schwere Krankheit haben dazu geführt, dass »La Domi«, wie sie in Bolivien genannt wird, sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, als sie am 13. März 2012 starb.
Ausgewählte Literatur:
Moema Viezzer und Domitila Barrios de Chúngara:
Wenn man mir erlaubt zu sprechen … Zeugnis der Domitila, einer Frau aus den Minen Boliviens
. Bornheim 1983 sowie David Aceby und Domitila Barrios.:
Domitila. Das Zeugnis einer Frau aus den Minen Boliviens, Teil 2: 1976–1984
. Bornheim 1986. Für eine Analyse der Entwicklung der Frauenbewegung in Bolivien nach der Privatisierung der Minen und den daraus resultierenden Migrationsbewegungen bis in die 1990er Jahre siehe Maria Lourdes Zabala:
Nosotras en democracia. Mineras, cholas y feministas (1976–1994)
. La Paz 1995.
VERA GRABE
KOLUMBIEN, *1951
Sie ist mittelgroß und zart, wirkt fast durchscheinend mit ihrer weißen Haut und den wasserblauen Augen. Auch ihre freundlich-ernste, zurückhaltende Art lässt kaum vermuten, dass die Kolumbianerin Vera Grabe einst mit der Waffe in der Hand Dörfer und Städte besetzt hat und eine der wenigen einflussreichen Frauen in Lateinamerikas Guerillabewegungen des vergangenen Jahrhunderts war. Sie hatte verschiedene Führungsposition im
Movimiento 19 de abril
(M-19, dt.: Bewegung 19. April) inne, saß nach dessen Friedensschluss für die linke Partei
Alianza Nacionalista Democrática-M 19
(AD-M-19, dt.: Demokratische Nationalistische Allianz) zunächst als deren einzige Vertreterin im Repräsentantenhaus und dann im Senat, um schließlich 2002 für den linken
Polo Democrático
(dt.: Demokratischer Pol) für das Amt der Vizepräsidentin zu kandidieren.
Vera Grabe wurde am 2. Dezember 1951 in Bogotá geboren, als ältere von zwei Töchtern von Thea Löwenherz und Werner Grabe. Das Ehepaar Grabe war Ende 1950 von Hamburg nach Bogotá ausgewandert, weil es seinen Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen wollte. Man entschied sich für Kolumbien, weil ein Bruder von Thea bereits kurz vor der »Reichskristallnacht« 1938 dorthin gegangen war. Veras Großvater Conrad Löwenherz war Musiker. Aufgrund seines Nachnamens verlangten die Nazis einen Ariernachweis von ihm, der ihn nur zu drei Achteln als arisch auswies, und so starb er 1943 in Auschwitz.Veras Mutter verboten die Nazis den Besuch einer höheren Schule, so dass sie nicht Musik studieren konnte. Sie machte nach dem Krieg eine kaufmännische Lehre und lernte Spanisch. Da Veras Vater ebenfalls keinen Ariernachweis erbringen konnte, erteilten die Nazis ihm Berufsverbot. In Bogotá eröffnete er dann als Tischlermeister eine eigene Werkstatt.
Als Vera acht und ihre Schwester Helga sechs Jahre alt waren, verließ der Vater die Familie, blieb aber in Bogotá. Einige Jahre später kehrte die Mutter mit Helga nach Hamburg zurück, Vera blieb jedoch beim Vater.
Sie besuchte das
Colegio Andino
, die deutsche Schule in Bogotá. Sie liebte schon als Kind Musik und nahm Gesangs- und Cellostunden. Als junges Mädchen hörte sie regelmäßig
Radio Havanna
, um sich über die neue lateinamerikanische Musik aus Kuba, Chile oder Nicaragua auf dem Laufenden zu halten.
Politisch schien ihr damals alles möglich: Die kubanische Revolution hatte den Sieg davongetragen, Che Guevara war das große Idol, viele Geistliche widersetzten sich der katholischen Amtskirche, und der kolumbianische Priester, Befreiungstheologe und Universitätsprofessor Camilo Torres schloss sich der ältesten kolumbianischen Guerilla, dem marxistischen
Ejército de Liberación Nacional
(ELN, dt.: Nationales Befreiungsheer) an. Er starb 1966 im Gefecht.
In den letzten Jahren vor dem Abitur nahm Vera mit ihrer Klasse an der Alphabetisierung eines Armenviertels von Bogotá teil und sah, wie ungerecht die kolumbianische Gesellschaft war. Zu Hause hatte man sie zu Solidarität erzogen, und
Weitere Kostenlose Bücher