Mädchen im Moor
Hof ging, wenn sie vom Stall zur Scheune mußte, wenn sie Außendienst hatte und die Wege sauber hielt, wenn sie im Speisesaal aß oder mit Vivian v. Rothen Tischtennis oder Halma spielte. Es war ein gieriges Beobachten, ein lustvolles Genießen des Anblicks und ein Schwelgen in Wünschen, wie es ein Liebhaber nicht stärker empfinden konnte. Nun war sie in eine innere Erregung geraten, die die Schranke der Beherrschung einriß. Zugute kam ihr, daß Monika Busse die letzte war, die den Speisesaal verließ. Sie trug über den Armen einen Berg Kostüme, die sie in die Schneiderei zurückbringen sollte.
»Einen Augenblick –«, sagte Emilie Gumpertz und hielt Monika am Arm fest. Ihr dickes, rundes Gesicht glänzte. Schon die Berührung des Armes war ein Lustgefühl.
»Was wollen Sie?« fragte Monika steif und befreite sich mit einem Ruck von dem saugenden Griff.
»Du siehst so blaß aus … ich habe das schon seit einiger Zeit bemerkt … Du solltest mehr essen … und besser essen.« Emilie Gumpertz lachte leise, mit einem girrenden Unterton, der aus ihrem Mund irgendwie komisch klang.
»Ich werde satt, danke.« Monika preßte die Kostüme an sich. Sie sah sich um, aber sie war allein. Der Speisesaal lag leer hinter ihr. In einer Stunde erst kamen die Mädchen vom Tischdienst und räumten ihn wieder um fürs Abendessen.
»Natürlich wirst du satt«, sagte Emilie Gumpertz eindringlich. »Auch von Kartoffeln wird man satt. Aber Braten schmeckt besser, und Schlagsahne mit Vanillezucker ist noch besser … Du hast es nicht nötig, so blaß auszusehen –«
»Bitte lassen Sie mich gehen«, sagte Monika laut.
»Du hast doch nachher eine Freistunde –«
»Ja.«
»Dann komm in mein Zimmer. Ich habe Waffeln gebacken.«
»Warum fragen Sie nicht die anderen Mädchen?«
»Das sind ausgekochte Luder! Du bist anders … das habe ich gleich gesehen. Und du tust mir leid …« Emilie Gumpertz wollte ihr über die Haare streicheln, aber Monika wich zwei Schritte zurück, als kämen Flammen auf sie zu. »Ich will mich ein wenig um dich kümmern …«
»Ich brauche Ihre Hilfe nicht!«
»Ein Jahr, mein Mädchen, ist lang –«
Das war eine versteckte Drohung. Monika Busse verstand sie und sah sich wieder hilfesuchend um. Aber niemand kam; wie eine hungrige, fette Spinne stand Emilie Gumpertz vor ihr.
»Überleg es dir«, sagte sie eindringlich. »Und es hat gar keinen Zweck, mit den anderen darüber zu sprechen. Es gibt nur Ungelegenheiten …«
»Ich verstehe«, antwortete Monika gepreßt. »Lassen Sie mich jetzt gehen –«
»Also bis nachher.« Emilie Gumpertz gab den Weg frei. Mit einem fetten Lächeln sah sie Monika nach, als diese fortrannte zur Schneiderei.
Schöne Beine hat sie, dachte sie. Wirklich schöne Beine. Und blondes Haar. Ich liebe blond …
Sie seufzte und ging zurück in die Küche.
Käthe Wollop mußte ihren Strafdienst antreten.
Den Ausschlag gab eine Meldung von Dr. Röhrig. Er berichtete Dr. Schmidt, daß Käthe Wollop bei ihm im Krankenrevier erschienen sei und sich ohne Aufforderung nackt ausgezogen habe. Dann habe sie sich auf den Schreibtisch gesetzt und gesagt: »Doktor – wenn ich jetzt schreie und sage, Sie hätten was von mir gewollt, sind Sie dran! Verhöre, Untersuchungen, Berichte … und hängen bleibt immer etwas! Tun Sie's deshalb lieber freiwillig …«
Dr. Röhrig hatte daraufhin Käthe Wollop eine Ohrfeige gegeben und den Vorfall sofort protokolliert. Es gab dann weiterhin keine Diskussionen mehr. Dr. Schmidt verhängte acht Tage erschwerten Arrest.
Durchaus nicht geknickt klemmte sich Käthe Wollop eine Decke unter den Arm und folgte Julie Spange hinab in den Keller, wo die Arrestzellen lagen.
»Was hast du nun davon?« sagte Julie Spange, als sie die Tür aufschloß. Ein schmaler Raum lag dahinter mit einem Fenster an der Decke, einer harten Holzpritsche und dem obligaten Eimer mit Deckel in der Ecke. Sonst war der Raum kahl und leer. Wer hier hereinkam, mußte in spätestens drei Tagen vor Langeweile vergehen. »In die Papiere kommt's auch!«
»Wenn schon –« Käthe Wollop warf die Decke auf die Holzpritsche. Sie setzte sich und ließ die Beine pendeln.
»Acht Tage Wasser und Brot –«
»Das glaub ich nicht.« Sie lächelte Julie Spange mit einer gefährlichen Freundlichkeit an. Die Heimmutter hob die Augenbrauen.
»Wieso nicht? Wer soll dir anderes Essen bringen?«
»Sie –«
»Das ist doch Unsinn, was du redest.«
»Meinen Sie?« Käthe Wollop tippte mit
Weitere Kostenlose Bücher