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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Hand. »Hast du schon mal einen Menschen an der Decke kleben sehen? Er sieht dann wie eine riesige Wanze aus. Wollen wir's mal ausprobieren –«
    »Halt!« brüllte Arberg. »Stellen Sie Ihren Kasten an.« Er hielt sich den Kopf mit beiden Händen fest und seufzte laut. »Was soll ich sagen? Wie war das noch mal?«
    »Ich mache diese Aussagen freiwillig –«
    Dr. Spieß drückte auf den Auslöseknopf, das Tonband lief. Und Rolf Arberg sprach laut und mit zitternden Augen den Satz nach.
    »Ich mache diese Aussagen freiwillig …«
    »Ich habe eine sehr schöne Beschäftigung für dich«, sagte Regierungsrat Dr. Schmidt und spielte mit einem Bleistift auf der Schreibunterlage. »Es ist eine Vertrauenssache, und ich weiß, daß du sie nicht ausnutzt.«
    »Ich danke Ihnen, Herr Direktor«, antwortete Monika Busse, wie es üblich war. Man hatte sie aus dem Stall weggerufen zur Direktion, und zuerst hatte sie eine panische Angst gehabt, daß man etwas über Vivian und die Köchin Gumpertz erfahren habe. Aber die Freundlichkeit, mit der sie Dr. Schmidt begrüßte, ließ nicht darauf schließen, daß es eine peinliche Untersuchung werden würde.
    »Die Frau des Bauern Heckroth ist krank. Sie muß liegen und das kurz vor Weihnachten. Und nun steht der Moorbauer allein da, mit vier Kindern. Du sollst auf den Hof gehen und ihm helfen. Mit anderen Worten: Du bekommst Urlaub auf Ehrenwort. Begreifst du das? Ich habe soviel Vertrauen, daß ich dich ohne Aufsicht dorthin lasse.« Dr. Schmidt sah an Monika Busse vorbei aus dem Fenster. »Du kannst natürlich flüchten … ganz einfach ist das. Der Bauer Heckroth wohnt nahe bei der Landstraße. Du brauchst nur auf die Straße zu gehen und einem Auto zu winken … so einfach ist das! Und trotzdem lasse ich dich dorthin gehen … weil ich weiß, daß du mich nicht enttäuschst .«
    »Bestimmt nicht, Herr Direktor«, sagte Monika leise.
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort, Herr Direktor.«
    »Wenn du doch auskneifst … du weißt, was das bedeutet. Wildmoor wird geschlossen, deine Kameradinnen kommen wieder in normale Strafanstalten, ich werde auch bestraft …«
    »Ich werde nie weglaufen, Herr Direktor.« Monika Busse fühlte ihr Herz wild klopfen. Ich werde am Rande der Freiheit stehen, dachte sie. Ich werde frei sein wie alle anderen … und trotzdem gefesselt. Und er vertraut mir. Das machte sie stolz und wehmütig zugleich. »Ich weiß, wie dankbar ich Ihnen sein muß, Herr Direktor«, sagte sie kaum hörbar.
    »Gut, Monika. Dann pack deine Sachen. Der Bauer holt dich in einer Stunde ab …«
    Die Aufregung im Block war riesengroß, als man den Sondereinsatz Monikas erfuhr. »So ein Schwein!« rief Hilde Marchinski. »Allein mit 'nem Mann! Kinder … da lief ich auch nicht weg … aber den Bauern müßtet ihr hinterher zur Kur schicken!«
    »Urlaub auf Ehrenwort.« Vivian v. Rothen saß auf ihrem Bett und starrte vor sich hin. »Ich wüßte, was ich tät –«
    »Du würdest abhauen, was?«
    »Ja. Und wiederkommen! Nur mit meinen Eltern wollte ich reden … und ich würde ihnen sagen, daß ich sie hasse, hasse, hasse … sie und ihr Geld und ihre Jagd nach dem Geld und ihr Leben, in dem sie nie Zeit haben und an dem wir zugrunde gehen aus Langeweile und ekelhafter Leere … Und dann käme ich zurück.«
    »Und was wirst du tun?« fragte Hilde Marchinski und stupste Monika an.
    »Ich werde arbeiten –«
    »Wirklich, sie ist ein Musterkind!«
    Alle halfen ihr, einen kleinen Koffer packen. Pünktlich nach einer Stunde fuhr ein alter, klappriger Wagen in den Hof. Der Moorbauer Fiedje Heckroth stieg aus und sprach mit Hedwig Kronberg.
    »Da ist er!« rief Hilde, die aus dem Fenster des Flures hing. »Kinder, der ist noch gar nicht so alt! Das wär 'ne Stelle für mich –«
    Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis Monika in den Wagen stieg und mit Heckroth wegfuhr. Die Mädchen winkten aus den Fenstern, und sie winkte zaghaft zurück. Dann wandte sie sich um und sah auf das weggleitende Gut Wildmoor, auf die Birkengruppen, die kahlen Weiden, die Säulen des Wacholders, überzogen von gefrorenem Reif.
    »Bei uns ist nicht alles so modern wie dort«, sagte Fiedje Heckroth. »Wir waschen sogar noch mit der Hand und am Brett –«
    »Das ist doch gleich …« Monika lehnte sich zurück und sah gegen die alte, verschmutzte, fleckige Dachbespannung. Aber frei bin ich, dachte sie. Frei! Und allein. Ich kann weinen, ohne daß mich jemand auslacht, ich kann nachdenken, ohne daß man mich

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