Mädchen im Schnee
Joghurt gefüllten Löffel aus dem Becher, um dann den Inhalt wieder hineintropfen zu lassen.
»Ja, das verstehe ich. Und er hat auch riesige Sehnsucht nach dir, das weiß ich.«
Jetzt sollte die Therapeutin mich hören, dachte sie.
Bei dem Gedanken an den Vorabend bekam Magdalena eine Gänsehaut. Sie rückte den Morgenmantel zurecht und band den Gürtel enger.
Nils sah aus dem Fenster und hatte die kleine Unterlippe schmollend vorgeschoben.
»Ich hab Sehnsucht nach meinem Papa.«
Plötzlich klingelte es an der Tür.
Magdalena fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Einen Moment lang vermisste sie Stockholm. Da klingelten die Leute an einem Samstagvormittag nicht einfach so ohne Vorwarnung an der Tür.
Draußen stand Melvin im Schneeanzug, die dicke Mütze ordentlich unter dem Kinn zugebunden. Hinter ihm stand Stefan.
»Kann ich mit Nils spielen?«, fragte Melvin und sah sie an.
»Klar, komm rein.«
Magdalena trat beiseite. Melvin ließ sich im Flur auf den Hintern fallen und begann, sich mit beiden Händen die Stiefel von den Füßen zu zerren.
»Ist es in Ordnung, wenn er für ein paar Stunden bleibt?«, fragte Stefan. »Wir wollten zum Baumarkt fahren; es geht um irgendwelche Sachen für den Keller, von denen Diana meint, dass wir sie unbedingt brauchen. Und Melvin geht genauso ungern dorthin wie ich. Letztes Mal ist er uns abgehauen, und wir mussten ihn über Lautsprecher ausrufen lassen.«
»Vielleicht solltest du diese Taktik auch mal anwenden«, schlug Magdalena vor. »Er kann gern hierbleiben, Nils und ich haben keine besonderen Pläne.«
Sie hatte schon fast vergessen, sich wegen des Morgenmantels und der zerzausten Haare zu schämen.
»Abhauen – keine schlechte Idee«, sagte Stefan.
Schläft er eigentlich nie?, dachte Magdalena. Ihr fiel auf, dass kleine Schweißperlen auf seiner Oberlippe standen.
»Wie geht es dir?«, fragte sie. »Alles in Ordnung?«
»Doch, danke, alles gut«, sagte Stefan und öffnete die Haustür. »Mir ist nur ein bisschen warm.«
»Fahr vorsichtig.«
Magdalena schloss die Tür ab und ging zum Frühstückstisch zurück. Die Toasts waren jetzt hart, der Käse war durchsichtig geworden und hing über die Brotränder. Die Jungs spielten oben.
Sie kippte den Kaffee in den Ausguss, schenkte sich frischen ein und strich gedankenverloren über die Arbeitsfläche. Dann nahm sie das Handy aus der Morgenmanteltasche und schrieb eine SMS :
»Danke für gestern. Vermisse dich. Bis bald. Maggie«
Maggie. Keiner außer Petter hatte sie jemals so genannt.
Als sie die Nachricht weggeschickt hatte, stellte sie fest, dass sie eine ungelesene Mitteilung von Jens hatte.
»Heute Abend im Jonte. Ich melde mich.«
Christer drehte das Autoradio lauter. Seit er sein erstes Auto gekauft hatte, einen schwarzen Golf mit weißen Streifen auf der Motorhaube, war er mindestens einmal im Monat im Clean Park gewesen. Damals war nichts so befriedigend gewesen wie glänzender Lack, saubere Sitze und Gummimatten ohne jeden Kies und Schmutz. Manchmal hatten ihn seine Kameraden aufgezogen und gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn sie die Schuhe anbehielten, ehe sie ins Auto stiegen, aber Christer hatte das nie etwas ausgemacht. Die sind einfach nur neidisch, pflegte er sich einzureden, während er mit seinen schaumbedeckten Schwämmen und den Wachstüchern agierte.
Jetzt füllte er einen Eimer mit heißem Wasser, holte den Entfettungsschwamm aus der Packung und tauchte ihn in das Wasser. Als er ganz weiß vor Schaum war, begann Christer, mit kreisenden Bewegungen das Autodach abzuwaschen. Die vertraute, monotone Tätigkeit beruhigte ihn.
Er spielte mit dem Gedanken, dass dieses Lächeln, das Magdalena am Briefkasten auf den Lippen getragen hatte, wirklich ihm gegolten hatte.
Und wenn er versuchen würde, mal mit ihr auszugehen? Ausgehen . Was hieß das eigentlich in Hagfors? So etwas tat man im Film und in Fernsehserien. Sollten sie sich etwa ins Florenz setzen und ein Steak essen? Wohl kaum. Und sie zum Abendessen nach Hause einzuladen, wäre wohl etwas gewagt.
Ob sie manchmal ausging? Das könnte er sie fragen, um zu sehen, wie sie reagierte. Es war schon einige Jahre her, dass er ausgegangen war. An Weihnachten ging er manchmal mit seiner Schwester ins Jonte. Seit sie nach Göteborg gezogen war, war das zu einer Tradition geworden, von der Tina selten abwich, aber Christer fühlte sich meist ausgeschlossen, wenn sie Bekannten und Freunden kreischend um den Hals fiel. Natürlich gab es auch
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