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Mädchen im Schnee

Mädchen im Schnee

Titel: Mädchen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Schulman
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alte Schulkameraden, die zu Weihnachten nach Hause gekommen waren und ihm um den Hals fielen, doch das fand er immer etwas unecht.
    Auf den Ball der Rallye Sweden wäre er gern gegangen, doch da hatte er immer zusätzlichen Dienst schieben müssen.
    Nun ja, fragen kann man ja, dachte er und fing an, das eingeschäumte Auto mit dem Wasserschlauch abzuspülen.
    Als Christer die Fahrertür aufmachte und sich bückte, um die Fußmatten herauszunehmen, fiel sein Blick auf ein paar dunkle Flecken auf dem Fahrersitz. Zwei Stück waren es, der eine rund und so groß wie ein Fünfzig-Öre-Stück, der andere drei bis vier Zentimeter lang, mit zerlaufenen Rändern. Christer befeuchtete seinen Zeigefinger und rieb an dem runden Fleck. Die Fingerspitze wurde rot.
    Er richtete sich wieder auf. Könnte das Blut sein?
    Er beugte sich wieder über den Fahrersitz, um nach weiteren Flecken zu suchen. Sein Blick glitt über den Sitz und den Fußraum. Er riss die Matte unter den Pedalen heraus und betrachtete sie im Schein der Neonleuchte.
    Mit derselben hektischen Energie ging Christer den gesamten Innenraum des Wagens durch. Er kniete sich auf den Rücksitz, untersuchte den Bezug und den Boden. Als er fertig war, öffnete er den Kofferraum.
    Er nahm das Erste-Hilfe-Kissen und die Gummistiefel heraus und kroch auf die Ladefläche, befühlte mit den Fingern den schwarzen Teppich. Wonach suchte er eigentlich? Er glaubte doch wohl nicht …
    Da sah er sie. Ganz hinten im Kofferraum lagen mehrere lange, lockige Haarsträhnen. Christer nahm sie in die Hand und betrachtete sie.
    Was sollte er jetzt tun? Die Techniker anrufen? Die Staatsanwältin? Dafür sorgen, dass sein Vater des Mordes verdächtigt würde?
    Mord.
    Nein. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.
    Ehe Christer die Kofferraumklappe schloss, legte er die Haarsträhnen zurück. Unter die Plastikmatte.
    Wortlos machte Christer die Haustür seiner Eltern auf und hängte den Autoschlüssel in den Schrank zurück.
    »Bist du schon fertig?«, rief Gunvor aus der Küche. »Das ging aber schnell.«
    »Ja.« Christers Stimme drohte zu versagen. »Ich gehe jetzt. Ich melde mich.«
    Noch ehe Gunvor in den Flur treten konnte, ging Christer aus der Haustür zum Auto.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie bei Magdalena die Tür aufging.
    War das nicht Petter Björkman, der da auf der Treppe stand? Und im Flur sah er Magdalena, die den Hals reckte und ihm einen Kuss auf den Mund gab.
    Das war ein Schlag in die Magengegend. Natürlich war es nur Einbildung gewesen, natürlich war es von Anfang bis Ende nur Wunschdenken gewesen.
    »Christer! Chriiister! Du hast deine Wäsche vergessen!«
    Gunvor stand in Holzschuhen auf der Treppe, eine weiße Plastiktüte baumelte an ihrer ausgestreckten Hand.
    Auch das noch. Musste sie so schreien?
    Christer machte kehrt, nahm die Tüte entgegen, dankte leise und ging zurück in Richtung Auto.
    Ich muss hier weg, dachte er. Ich muss weg.
    Anstatt nach Hause zu fahren, bog Christer von der Storgatan links in Richtung Ekshärad ab. Er hatte keine Ahnung, wohin er unterwegs war, er fuhr einfach. Fuhr und fuhr. Er fuhr durch Bergsäng, ohne sich die Mühe zu machen, auf fünfzig runterzugehen, und dann weiter nach Norden.
    Was war eigentlich los? Was machte sein Vater da?
    »Christer! Chriiister! Du hast deine Wäsche vergessen!«
    Was denke ich eigentlich, wer ich bin?, fragte er sich. Habe ich etwa gedacht, dass ich von allem verschont bleiben würde, nur weil ich Polizist bin? Habe ich geglaubt, meine Eltern zu kennen? Habe ich mir eingebildet, dass alles immer so bleiben würde, wie es immer war?
    Und wie war es überhaupt gewesen?
    »Christer! Chriiister! Du hast deine Wäsche vergessen!«
    Wie waren diese sonderbaren Flecke und die langen Haare in das Auto seines Vaters gekommen?
    Ich bin genauso dumm und lächerlich, wie alle immer gedacht haben. Das wird sich nie ändern. Was ich auch tue, wie sehr ich auch versuche, mich selbst zu täuschen, ich werde dem nie auch nur ansatzweise entkommen. Die Leute werden hinter meinem Rücken über mich lachen, wenn mein Vater … Und wenn ich meinen Job wegen eines Dienstvergehens verliere …
    Und Mutter … Sie wird daran kaputtgehen. Arme Mutter.
    Ohne eine Ahnung zu haben, wo er sich befand, stand Christer plötzlich auf einem schmalen Waldweg und weinte. Mütze und Handschuhe lagen im Auto. Als er die Arme unter die Achseln schob und den Kopf in den Nacken legte, schienen ihn die hohen Tannen lautlos

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