Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
reicht«, knurrte Mitch. Marshalls Miene hatte sich verdüstert, während Mia erschrocken nach Luft schnappte. Mitch packte Brad am Hemdkragen und riss ihn die letzten Treppenstufen hoch. »Lass uns hineingehen.«
»Morgen früh findet ein Meeting mit dem Stiftungsrat statt, Brad«, sagte Marshall noch, während Mia ihn davonzog. »Ich vertraue darauf, dass du dich bis dahin wieder im Griff hast.«
»Klar!«, rief Brad ihm über die Schulter zu. »Ihr müsst euch ja noch zusammensetzen und überlegen, wie ihr am besten Dads Affäre mit Rose McNamara vertuscht. Damit sein Name nicht beschmutzt wird, seine« – er holte theatralisch mit dem Arm aus – »kostbare Stiftung.«
»Was?« Marshall wirbelte herum.
Trotz des dämmrigen Lichts konnte Mitch sehen, dass er sehr beunruhigt war.
»Mach dir seinetwegen keine Sorgen«, sagte Mitch.
»Nein, das tue ich nicht. Aber, warte mal, was hast du da eben gesagt?«, hakte Marshall nach.
Brads Stimme troff vor Hohn. »Es heißt, Dad hätte ein Mädchen umgebracht.«
»Dafür gibt es keinen Beweis«, knurrte Mitch und blickte zu Marsh hinüber, dessen Miene wie versteinert war. Lieber Himmel, wenn etwas davon an die Öffentlichkeit gelangte …
Doch es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Es würde in der Zeitung stehen, und dann wäre Russells Name für immer mit dem Mord an Rose McNamara verbunden.
»Wovon sprichst du?«, wollte Marshall wissen und warf einen Blick auf seinen Ärmel, in den sich Mias Fingernägel bohrten.
»Letzte Nacht ist ein Mädchen im Camden Park getötet worden«, sagte Mitch. »Aber die Polizei weiß nicht, wer der Mörder ist.«
»Sie verdächtigen Dad«, flüsterte Brad.
»Tun sie nicht«, blaffte Mitch.
Marshall wirkte nicht überzeugt. »Hast du gerade McNamara gesagt?«
Brad hob die Hände. »Wer weiß, vielleicht hatte mein Vater ja eine Vorliebe für Babynut–«
»Halt dein verdammtes Maul!«, rief Mitch und stieß ihn gegen die Hauswand. Unter der Außenbeleuchtung wirkten Brads Augen kalt und emotionslos, wie die Augen eines Reptils.
Was auch geschehen mag …
»Lieber Gott«, entfuhr es Marshall, »das kann nicht wahr sein.«
»Das ist es auch nicht, Marshall. Brad redet Blödsinn. Ich erzähl’s dir später.«
»Komm jetzt.« Mia zog Marshall am Ärmel. »Das geht nur die beiden etwas an.« Endlich setzte sich Marshall in Bewegung.
»Himmel, pass gefälligst auf, was du sagst!«, herrschte Mitch Brad an, als das Ehepaar außer Hörweite war.
»Es gibt Beweise. Sie haben etwas in Dads Schlafzimmer gefunden.«
»Das ist nicht von Bedeutung. McNamaras Mörder lebte heute Nachmittag noch, da war dein Vater aber schon tot.« Er schüttelte Brad kräftig. »Wer war sie?«
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte Brad zornig. »Rose McNamara war eine Nutte. Was sollte ich schon über sie wissen?«
»Hat Russ sie gekannt? Verdammt, Mann, spuck endlich aus, was hier los ist.«
Brad zog die Augenbrauen hoch. »Du willst wissen, was hier los ist? Hier? In deiner eigenen Stiftung? Die deinen Namen trägt?«
Mitch ballte die Fäuste. Brads Sarkasmus war nicht ganz unberechtigt, und das schmerzte. Obwohl Mitchs Fotografien und sein Geld den Grundstock der Stiftung bildeten und sein Name auf dem Briefkopf stand, war er weiter denn je von dem Alltagsgeschäft entfernt. Mitch hatte nicht nach Lancaster zurückkehren wollen – hier erinnerte ihn zu vieles an sein Versagen.
»Ich will wissen, was mit deinem Vater passiert ist«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du etwa nicht?«
»Er ist tot. Das ist passiert.« Brad befreite sich mit einem Ruck und ging auf die Haustür zu. Mitch beschlich ein böser Verdacht. Die Polizei hatte bestimmt nicht Rose McNamaras Namen veröffentlicht.
»Warte«, versuchte er, Brad aufzuhalten. »Woher kennst du den Namen des toten Mädchens?«
Brad straffte die Schultern. »Sie haben mich nach ihr gefragt, wollten wissen, ob sie diejenige war, mit der sich Dad gestern Abend treffen wollte. Dann habe ich von der Leiche der jungen Frau gehört und zwei und zwei zusammengezählt.« Er hielt höhnisch eine Hand hoch. »Ergibt fünf.«
Er trat durch die Tür. Mitch schloss die Augen.
Ein Gewicht lastete schwer auf Marshalls Brust, als er nach Hause fuhr. Mia saß stumm neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er fühlte sich, als habe ihm jemand mit einem Baseballschläger einen Schlag zwischen die Augen verpasst. Russell. Die Stiftung.
Rose McNamara.
Er umklammerte das
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