Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Zumindest jetzt noch nicht. Erst müssen wir einige Tests durchführen.«
Also gab es momentan nichts Neues. Danis Hoffnungen zerschlugen sich wieder. Kelly deutete auf ihren Schreibtisch. »Sie können sich gern da hinsetzen und lesen. Ich habe heute Abend nämlich ein Date.«
Kelly zog ihren Laborkittel aus und frischte vor einem Spiegel ihr Make-up auf, während sich Dani an dem Schreibtisch niederließ.
Dani hasste den Geruch von Formaldehyd und menschlichen Exkrementen in diesen Räumen. Manchmal kam noch der Gestank von verrottetem Fleisch hinzu. Das Ganze wurde von einem Übelkeit erregenden Raumduft der Note Hibiscus Breeze überdeckt, dessen Spender neben Kellys Schreibtisch in der Steckdose steckte. Dani atmete durch den Mund und öffnete die Akte. Rosie war erst vor drei Monaten achtzehn Jahre alt geworden. Abgesehen von den Operationen in ihrer Kindheit war sie kerngesund gewesen. Weder Geschlechtskrankheiten noch Krebs oder Spuren von Drogen und Alkohol in ihrem Körper. Keine Brustimplantate, keine auffälligen Narben oder Nippelpiercings. Und auch keine Tätowierungen, bis auf die winzige Rosenknospe über der linken Brust.
Doch dann stand dort etwas, das Dani einen Schock versetzte. Stirnrunzelnd las sie die Passage erneut und rief Kelly, die schon auf dem Weg zur Tür war, noch einmal zu sich. »Sind Sie sich bei dieser Sache absolut sicher?«
»Womit?«
»Dass Rosie ein Baby bekommen hat?«
»Ja«, erwiderte Kelly. »Man erkennt es an der Gebärmutter, ob eine Frau bereits entbunden hat.«
»Haben Sie eine Vermutung, wann das gewesen sein könnte?«
»Klar. Es ist schon ein wenig länger her. Vermutlich ein, zwei Jahre.«
Kelly ging, und Dani schloss die Akte. Rosie hatte nie etwas von einem Baby erwähnt. Doch hatte sie auch nie von den Operationen gesprochen, denen sie sich in ihrer Kindheit hatte unterziehen müssen. Dani hatte Rosie McNamara gerngehabt, aber eigentlich hatte sie sie nicht gekannt. Sie hatte lediglich einem Mädchen geholfen, das vom rechten Weg abgekommen war.
Nicht, dass das jetzt noch zählte. Rosie war tot.
Und Russell Sanders? Mitchs Empfindungen hin oder her, Sanders war irgendwie in die Sache verstrickt. Doch konnte er nicht die verdammte Nachricht unter ihren Scheibenwischer geklemmt haben. Was natürlich nicht bedeutete, dass er Rosie nicht umgebracht hatte. Vielleicht war noch eine weitere Person beteiligt gewesen. Sie sollte noch einmal zu Harper gehen und ihn fragen, ob er von Scheren besessen war oder von langem Haar, statt sich nach den Küchenmessern seines Vaters zu erkundigen.
Dani rieb sich mit den Händen über die Arme, die unangenehm kribbelten. Dann hinterließ sie Freeling eine Nachricht – Rufen Sie mich an, bevor Sie Sanders aufmachen –, verließ das Gebäude und versuchte, Rosies Mutter anzurufen. Eine Nachbarin ging ran und sagte, dass sie ein Beruhigungsmittel genommen habe. Daraufhin bat Dani, mit Rosies Schwester sprechen zu dürfen.
»Jetzt reicht’s aber. Sie bringt gerade das Baby ins Bett. Können Sie diese Leute nicht in Ruhe lassen? Wenigstens heute Abend?«
Dani trennte die Verbindung mit dem Gefühl, grausam gewesen zu sein.
Sie beschloss, eine Pause zu machen und nach Hause zu fahren, um etwas zu essen, mit Runt zu schmusen und sich zehn Minuten zu entspannen. Dann würde sie wieder herfahren und den Tag mit einer weiteren Autopsie beenden.
Was für ein Leben.
Sie ging über die Straße zum Parkplatz und steckte die Hände in die Taschen ihres Jacketts. Dabei berührten ihre Finger die Speicherkarte, die Mitch in eine der Taschen gesteckt hatte.
Sieh sie dir an, wenn du Zeit hast …
Zorn schnürte ihr die Kehle zu. Dieser verdammte Kerl, musste er sich überall einmischen? Er schien immer zu spüren, wenn sie etwas Privates verbergen wollte, war immer dort, wo er nichts zu suchen hatte.
Du wirst überrascht sein …
Sie änderte ihre Meinung und ging zum Gebäude zurück. Es hielt sich fast niemand mehr im Morddezernat auf. Sie ging zu dem Schreibtisch, der ihr für diesen Fall zugewiesen worden war, fischte die kleine Karte aus der Tasche und steckte sie mit einem tiefen Seufzer in den Computer. »Okay, Mitch«, sagte sie leise vor sich hin. »Dann überrasche mich mal.«
10
D ie Schere roch nach Blut. Der Geruch von kaltem, nassem Kupfer füllte den Innenraum des Wagens. Beruhigend für die Seele.
Alicia war erledigt. Ihr Name blutig durchgestrichen, ein Büschel grell-gelblichen Haars zur Hand. Die
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