Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
überlebte, standen die Chancen für die darauffolgenden zwölf Stunden besser. Dani rechnete rasch nach. Es müssten mittlerweile sieben bis acht Stunden vergangen sein, je nachdem, wann Seth Runt nach Hause gebracht hatte. Halte durch, Baby.
Sie stand auf und zuckte vor Schmerz zusammen, als sich ihre Wunde bemerkbar machte. Dani griff nach ihren Kleidungsstücken, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. »Ich gehe rasch duschen und mache mich dann mit Tifton auf die Suche. Da draußen liegt irgendwo ein blondes Mädchen mit aufgeschlitzter Kehle und abgesäbelten Haaren.«
»Immer mit der Ruhe, Sergeant. Wir kümmern uns darum.«
Dani verstand nicht ganz, was Gibson meinte.
»Die Sitte ist unterwegs und auch einige Streifenwagen. Sie erkundigen sich, ob irgendwo eine Blondine verschwunden ist. Ty Craig wird hergebracht und zu den Jahren befragt, die Rosie für ihn gearbeitet hat. Tifton macht sich heute Morgen als Erstes auf den Weg zur JMS-Stiftung. Sanders und Sheridan – das sind zwei große Namen. Sanders ist ganz sicher nicht letzte Nacht in Ihrem Haus gewesen, aber wir müssen wissen, ob er Komplizen hatte und was er mit dem Mord zu tun hat.«
»Mit den beiden Mordfällen«, korrigierte Dani.
»Einer.« Gibson hielt einen Finger hoch. »Für einen weiteren fehlen uns die Bewei–«
»Blödsinn.« Aber sie wusste, dass der zweite Mord reine Spekulation war, solange sie keine Leiche fanden, der die Hälfte ihres blonden Haars fehlte. »Wir müssen die Leiche aufspüren«, sagte sie. »Nur so können wir herausfinden, was der Dreckskerl als Nächstes vorhat. Ich checke die Vermisstenanzeigen. Dann brauchen wir meine Personenbeschreibung des Einbrechers … er ist nicht sehr groß, schlaksig. Dunkles Gesicht, vielleicht Bartträger. Und beim Weglaufen sah er irgendwie merkwürdig aus …«
»Das haben Sie uns alles schon letzte Nacht zu Protokoll gegeben«, erwiderte Gibson und sah Dani in die Augen. »Und mit uns meine ich nicht mehr Sie.«
Eine Sekunde lang war Dani verunsichert. »Ich verstehe nicht«, sagte sie. Dann erstarrte sie. Und begriff. »Das können Sie nicht tun«, sagte sie mit schneidender Stimme.
»Sie sind draußen, Dani«, entgegnete Gibson. »Sie sind zu sehr in die ganze Sache verwickelt, ganz zu schweigen von dem Drecksk–«
»Ich habe nichts falsch gemacht und nur auf den Verdächtigen geschossen. Niemand außer ihm wurde –«
»Es geht nicht darum, auf wen Sie geschossen haben. Das wird genau untersucht werden – reine Routine. Nein, niemand glaubt, dass Sie letzte Nacht etwas falsch gemacht haben.«
Abgesehen davon, dass ich den Einbrecher vor das Auto gescheucht habe …
Dani weigerte sich, diesem Gedanken weiter nachzugehen. Es war nicht ihre Schuld, dass der Wagen der Gardners einen Unfall hatte.
»Warum dann?«, krächzte sie, aber eigentlich kannte sie die Antwort bereits. »Verdammt. Es ist wegen Ty Craig.« Sie knirschte mit den Zähnen. »Dabei bin ich nicht einmal in seine Nähe gekommen. Ich bin sauber, und das wissen Sie.«
»Aber das können Sie nicht bleiben, wenn Sie gleichzeitig weiterermitteln wollen. Damit würden Sie in den alten Zirkel Ihres Vaters eintreten, und die Interne wird Ihnen wieder auf Schritt und Tritt folgen.«
»Warum?«
»Das habe ich Ihnen schon gesagt: Ich weiß es nicht. Im Moment lassen sie Sie in Ruhe, aber sobald Sie McNamaras altem Zuhälter nahe kommen oder ihrem früheren Strich …«
»Warum haben Sie mich dann überhaupt mit dem Fall betraut?«
»Ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Ich hatte keine Ahnung, wer das Opfer war. Ich wusste nur, dass Tifton nach Ihnen verlangt hat.«
Dani ballte die Hände zu Fäusten und zitterte vor Wut. Wut auf den Chief, auf Ty Craig und auf ihren Vater.
Wie oft in seiner kurzen Karriere als Polizist hatte Artie Cole weggesehen oder Beweise verschwinden lassen? Um als Gegenleistung Bestechungsgelder von Craig zu kassieren? Und wie oft mochte er wohl in seiner bedeutend längeren Karriere als Krimineller, nachdem man ihn aus dem Polizeidienst geworfen hatte, schmutzige Geschäfte für Craig eingefädelt haben?
Damals, zehn Stunden nach Artie Coles Tod, war Craig bei Dani aufgetaucht. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, hatte er gesagt und sie zu überreden versucht, den Platz ihres Vaters einzunehmen. »Wie du mir, so ich dir. Du sorgst dafür, dass weder ich noch meine Leute in den Knast wandern, und ich sorge im Gegenzug dafür, dass deine Brieftasche dick
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