Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
dehnen.
»Hören Sie, Mr. Sheridan«, begann Tifton das Gespräch. »Sie kennen die Highland-Brücke?«
»Mitch«, korrigierte dieser ihn. »Und: ja. Beliebt bei Selbstmördern. Aber Russ ist nicht gesprungen. Er wurde erschossen.«
»Mit einer .22er, und zwar aus kürzester Entfernung. Wir haben die Waffe gestern Abend dort gefunden. Sie gehörte ihm.«
Genau das hatte Mitch befürchtet. Die Polizei würde das Ganze als Selbstmord abtun. »Das heißt aber nicht, dass er auch abgedrückt hat.«
»Die Wunde an seinem Kopf stimmt mit unserer Vermutung überein. Wenn er am Rand der Brücke gestanden hat, als er schoss, und mit der rechten Hand abgedrückt hat …«
Tifton blickte Dani an. Mitch fiel auf, dass ihr Gesicht leichenblass war. Sie wand sich unter den prüfenden Blicken.
»Wir können zurzeit davon ausgehen, dass es vermutlich Sonntagnacht geschah«, fuhr Tifton fort.
»Woher weiß man, dass er von der Brücke aus ins Wasser fiel?«, fragte Mitch und zwang sich, seine Blicke von Dani zu lösen. Sie sah wirklich nicht so aus, als ginge es ihr gut. »Seine Leiche wurde in drei Meilen Entfernung gefunden.«
»Er weist Wunden auf, die mit solch einer Art von Sturz übereinstimmen. Unter Berücksichtigung der Strömung und des Windes, einschließlich des Fundorts der Leiche am Flussufer …« Sie hatten bereits alle Variablen in Betracht gezogen. Mitch schloss die Augen, während Tifton weitersprach. »Wir haben heute Morgen Einsatzkräfte losgeschickt, die das Flussufer absuchen und die Bewohner befragen. Vielleicht finden wir jemanden, der etwas gesehen hat. Aber es scheint offensichtlich zu sein, dass –«
»Hat er noch gelebt?«
»Wie bitte?«
»Hat er noch gelebt, als er ins Wasser fiel?«
Dani blickte zu Boden, und Tifton schluckte. »Ja«, sagte er dann. »Der Gerichtsmediziner hat Wasser in der Lunge gefunden.«
Etwas in Mitchs Seele zerbrach. Er hatte davon gehört, wie es war zu ertrinken. Ein schrecklicher Tod. Mitch stand auf und lief ruhelos hin und her. »Wie ist er dort hingelangt? Sein Wagen steht hier. Wenn er also zur Brücke wollte, um hinunterzuspringen, wie ist er dann dorthin gelangt?«
»Mit dem Bus. Oder einem Taxi. Es gibt immer einen Weg.«
»Warum? Und sagen Sie jetzt nicht, weil er gerade Rose McNamara getötet hatte.«
»Bleib ruhig«, schaltete sich Dani ein. »Sieht nicht so aus, als sei Sanders unser Mann im McNamara-Fall.«
»Das stimmt«, sagte Tifton. »Trotzdem können wir Rosies Anrufe nicht ignorieren. Oder die Hinweise, die wir in seiner Wohnung gefunden haben. Irgendwie hängt Sanders mit drin. Die Nachricht auf dem Block neben seinem Bett trug seine Handschrift.«
Mitch blickte die beiden finster an. »Es waren doch bloß zwei Worte: ›Camden Park‹. Keine Rede von ›Rose McNamara umbringen‹. An diesem Wochenende hat im Park ein Jahrmarkt stattgefunden. Vielleicht war er aus einem anderen Grund dort. Möglicherweise wurde er von jemandem hereingelegt.«
»Abgesehen von Ihnen und der Haushälterin hatte nur eine weitere Person Zugang zu Sanders’ Wohnung: Brad Harper. Und Sie alle drei haben Alibis. Ihres ist offensichtlich, und Ihre Haushälterin war den ganzen Sonntag im Krankenhaus und hat am Bett ihrer Mutter gesessen. Harper nahm Sonntagabend an einem Essen in Philadelphia teil und hat auch in der Stadt übernachtet. Er ist noch dort gewesen, als Sie ihn nach Ihrem Telefonat mit Sanders anriefen.«
»Das haben Sie nachgeprüft?«, fragte Mitch.
»Er ist bei dem Abendessen von über hundert Personen gesehen worden«, antwortete Dani. »Zwei Nachtportiers und ein Sicherheitsmann haben ausgesagt, dass er das Hotel in der Nacht nicht verlassen hat. Er hat um neun Uhr am nächsten Morgen ausgecheckt, hat in Anwesenheit von dreißig weiteren Gästen gefrühstückt und hat sich dann auf den Rückweg gemacht. Kurze Zeit später hat er erfahren, dass sein Vater nicht zu der Besprechung mit den Handwerkern erschienen ist, und ist dann zu uns gekommen.«
Mitch schloss die Augen. Wie praktisch.
»Wir müssen uns Sanders’ Akten ansehen«, sagte Tifton. Und fügte hinzu: »Akten, die Sie offenbar hierher mitgenommen haben.«
Mitch zog eine Augenbraue hoch. Es war klar, was Tifton damit sagen wollte. »Ich habe nicht versucht, etwas zu verheimlichen.«
»Also dürfen wir uns die Akten ansehen?«, fragte Dani.
»Den Flur entlang, dann links. Nur zu.«
Sie setzte sich in Bewegung. Als Tifton ihr folgen wollte, hielt Mitch ihn zurück und wartete,
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