Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Die Stille kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dann sprach er endlich wieder etwas in das Handy. »Wie? Wie bitte?«, sagte er und hielt das Gerät ein Stück von sich entfernt. »Ich kann Sie nicht mehr hören, Mann!«, rief er und unterbrach dann die Verbindung. Eine Ewigkeit verstrich, bis er schließlich Dani ansah. »Legst du es eigentlich darauf an, dass ich gefeuert werde?«
Ihre Wangen brannten. »Du hast nichts gewusst. Dafür können sie dir nicht die Schuld geben.« Sie hob das Kinn. »Du bist doch aus dem Schneider. Die Nummer mit dem Handy eben war genial. Und du kannst nicht von mir erwarten, dass ich mich wie ein Feigling in einem Motelzimmer verkrieche.«
Er nahm ihr die Supermarktquittung aus der Hand. »Aber was ist, wenn du dir heute Nacht endlich mal etwas Schlaf gönnen willst?«
»Dann gehe ich ins Motel und verhalte mich ruhig. Keine Sorge, ich fahre nicht nach Hause. Und heute bin ich ohnehin den ganzen Tag hier beschäftigt. Irgendjemand muss sich ja um die Papierberge kümmern.« Sie blickte sich um und war von dem Ausmaß der Aufgabe schier überwältigt. »Du kannst mich dafür einspannen, Tift«, sagte sie dann. »Im Augenblick darf ich ja nicht mit dir raus, aber irgendwo in diesem Wust liegt der Schlüssel zu dem, was Sanders mit Rosie zu tun hatte.«
»Und wenn ich dich stattdessen melde?«
»Dann arbeite ich eben allein an dem Fall weiter.« Sie blickte ihm in die Augen. »Mein Haus, Tift. Alles, was ich besitze. Meine Hündin. «
Er fluchte, aber Dani wusste, dass er auf ihrer Seite stand. Und Tifton wiederum wusste, dass sie sich nicht aufhalten lassen und weiter versuchen würde, den Dreckskerl zu finden. Wenn er sie von dem Fall ausschloss und im Ungewissen ließ, würde sie ein umso besseres Ziel abgeben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er ihre Unterstützung wirklich gut gebrauchen konnte.
»Ich nehme diese Quittung jetzt an mich und fahre zum Revier, um meinen neuen Partner abzuholen.« Tifton schickte sich an, den Raum zu verlassen, drehte sich aber noch einmal zu Dani um. »Übrigens betraf der Anruf Runt.«
Danis Herz setzte aus.
»Sie lebt, ist aber noch nicht endgültig über den Berg. Das Labor hat wegen der Ergebnisse des Bluttests angerufen. Die Diagnose war nicht ganz einfach, da niemand dabei war, als die ersten Symptome auftraten. Doch sie sind sich inzwischen sicher, dass es sich um eine Art Narkotikum handelt. Vermutlich ein Schmerzmittel, das direkt auf das Nervensystem einwirkt.«
»Ein verschreibungspflichtiges Medikament?«
»Ja«, antwortete er und hob warnend eine Hand. »Ich kümmere mich schon darum. Es besteht kein Grund, dass du meinst, sämtliche Medizinschränke der Gegend abklappern zu müssen.«
Tränen schnürten ihr die Kehle zu. Da hatte irgendein Dreckschwein Runt vergiftetes Fleisch gegeben, um sie fügsam zu machen, dabei wäre das verrückte Vieh ohnehin jedem auf Schritt und Tritt gefolgt, der die Aussicht auf ein paar Streicheleinheiten versprach. »Runt war keine Bedrohung.«
»Sie ist ein Pitbull, Dani«, erwiderte Tifton und holte seine Autoschlüssel aus der Tasche. »Wenn ich in ein Haus mit einem Kampfhund einbreche, dann gehe ich davon aus, dass ich den Hund nicht streicheln, sondern ausschalten muss. Der Einbrecher konnte nicht wissen, dass es sich bei deinem Hund um eine Laune der Natur handelt.«
Er ging und ließ Dani mit den Akten zurück, aber sie konnte an nichts anderes als an Runt denken. Tifton mochte zwar recht haben, was Kampfhunde anging, aber warum hatte der Einbrecher die Hündin dann nicht gleich umgebracht? Wollte er vermeiden, dass die Nachbarn einen Schuss hörten? Auf diese Weise betrachtet, wirkte der Einbruch in Danis Haus mehr wie eine Botschaft als eine Bedrohung. Vielleicht sogar wie eine Herausforderung. Und die Haare wie eine Art Souvenir.
Dani erstarrte, als die Tür des Apartments geöffnet wurde. Sie erhob sich und griff unwillkürlich nach ihrer Waffe. Vorsichtig spähte sie in den Flur.
Mitch.
Er sah aus wie ein Manager an einem Casual Friday, wenn am Ende der Woche die Kleiderordnung etwas lockerer gesehen wurde: glatt rasiert, gekämmt und mit einem langärmeligen Hemd und einer dunklen Jeans bekleidet. Dazu trug er Slipper.
Er lächelte nicht. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du noch hier bist.« Sein Blick glitt über ihre nackten Schultern und ihre Füße. Sie hatte ihren Blazer über die Stuhllehne gelegt und ihre Schuhe ausgezogen.
»Ziemlich viel Papier«, sagte sie
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