Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Gehirn noch nicht wieder zu funktionieren. Verrückt. Sie würde es als verrückt bezeichnen. Und närrisch, vielleicht sogar gefährlich. Dani wusste nicht, wie viel ihr Herz inzwischen aushalten konnte, denn es hatte nicht viel Übung in Liebesdingen. »Wir sollten das nicht tun.«
»Warum nicht?« Seine Daumen streichelten ihre Wangen.
»Ich muss eigentlich arbeiten.«
»Nein, musst du nicht. Ich dachte, das hätten wir schon geklärt.«
Die Flamme der Leidenschaft erlosch angesichts dieser Worte. Dani wich jetzt doch einen Schritt zurück. »Rosie … Ich kann nicht damit aufhören, Mitch. Es ist mir egal, was Chief Gibson dazu sagt.«
Er atmete hörbar aus und sah sie an. »Dann werde ich dich wohl einstellen müssen.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Wie bitte?«
»Um an dem Fall zu arbeiten. Um herauszufinden, wer Rosie und Russell ermordet hat. Deine Kollegen werden den Fall als Selbstmord abschreiben. Ich brauche jemanden, der das nicht glaubt, der die Wahrheit herausfinden will.«
»Das will Tifton auch«, entgegnete sie vorsichtig.
»Wie viele Fälle hat Tifton im Moment zu bearbeiten?«
»Fünfzehn, vielleicht zwanzig.«
»Und du?«
Dani straffte die Schultern. »Nun, seit heute Morgen befinde ich mich sozusagen … zwischen zwei Fällen.«
Mitchs Miene entspannte sich. »Also, was nimmst du für deine Ermittlungen?«, fragte er.
»Wenn eine Polizistin unter der Hand als Privatdetektivin arbeitet, nennt man das einen Interessenkonflikt.«
Mitch schnaubte. »Und du möchtest keinesfalls die Regeln brechen, nicht wahr?«
»Hey«, protestierte sie, in Wahrheit hatte sie sich schon geeinigt, und innerlich seufzte Dani erleichtert auf. Er gestattete ihr, zu bleiben und die Akten durchzuarbeiten. Und würde ihr helfen herauszufinden, was Russell und Rosie miteinander verbunden hatte.
Und er würde sie wieder küssen.
O Gott, daran durfte sie nicht denken. Sie sah Mitch an und stellte fest, dass er sie eindringlich beobachtete. Beschämt hoffte sie, dass er ihren letzten Gedanken nicht erraten hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
»Wie lautet unser Deal?«, fragte er. »Kein offizieller Status als Privatermittlerin, kein Honorar. Nur die Chance, herauszufinden, wer Rosies Killer ist.«
Dani mühte sich, ihre Aufregung zu verbergen. Es war ganz sicher Adrenalin, das ihr gerade durch die Adern rauschte, und keine anderen, weniger wünschenswerten Hormone. Hier ging es nicht um Mitch, sondern darum, den Dreckskerl zu finden, der Rosie getötet hatte.
Ja, so war es. Das Flattern in ihrer Magengrube hatte nichts mit Mitch Sheridan zu tun.
Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Abgemacht.«
19
M arshall verließ seine Praxis um halb fünf am Nachmittag, fuhr fünf Meilen, machte kehrt und fuhr zurück zur Praxis. Er schloss die Tür auf. Niemand da – das hatte ja nicht lange gedauert, bis alle Feierabend gemacht hatten. Er dachte oft, dass selbst Bankangestellte längere Arbeitszeiten hatten als ein Psychiater mit eigener Praxis. Marshall und seine Kollegen hielten lediglich an drei Tagen in der Woche Sprechstunde. Sie begann um zehn Uhr, wurde für eine zweistündige Mittagspause unterbrochen und endete gegen fünf.
Ein gemächliches Leben für diejenigen, die darauf aus waren, doch Marshall hatte sich aus anderen Gründen dafür entschieden. Er war ein echter Wissenschaftler. Arzt und Experte für psychische Krankheiten. Er war ein Forscher und Entdecker der menschlichen Seele, und auch nach dreißig Jahren in seinem Beruf war er immer noch fasziniert von all den Facetten, die sie ihm offenbarte. Und manchmal auch geschockt. In sehr seltenen Fällen reichten selbst sein Können, sein Wissen und seine Forschung nicht aus, um ein Leben zu verändern. Ronald Fulton hatte zu diesen seltenen Fällen gehört – ein Mann, der per Gerichtsbeschluss zu ihm geschickt worden war und der nicht die geringste Spur eines menschlichen Gewissens besaß. Fulton hätte seine eigene Mutter genauso beiläufig getötet wie Ungeziefer, ohne mit der Wimper zu zucken.
Und auch Mia war solch ein Fall. Nicht, weil sie kein Gewissen besaß – ganz im Gegenteil. Ihr Gewissen hätte sie fast um den Verstand gebracht.
Momentan hatte sie sich gut im Griff – und freute sich auf das Treffen, das Marshall ihr für Sonntag versprochen hatte. Sie benahm sich im Moment genau so, wie man es von der Frau des Stiftungspräsidenten in diesen schwierigen Zeiten erwartete. Doch das würde nicht von langer
Weitere Kostenlose Bücher