Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
wiederholte Dani.
»Nein.«
Sie war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit sagte. »Aber bis jetzt hast du keine Anstalten gemacht, die Sache zu melden.«
»Man muss sich immer auf das Wesentliche konzentrieren, Schätzchen. Sobald wir den Typen zu fassen kriegen, machen wir jeden seiner Läden dicht. Wir werden ihm kräftig Feuer unterm Hintern machen, bis er sich auf einen Deal einlässt. Und wenn er irgendetwas von McNamara weiß, werden seine Anwälte dafür sorgen, dass er wie ein Vögelchen singt.«
Dani beendete das Telefonat und hatte das plötzliche Bedürfnis, zu duschen. Diese Geschichte war natürlich nicht mit dem zu vergleichen, was ihr Vater getan hatte – jeden Tag trafen Polizisten derartige Entscheidungen: ließen kleinere Delikte zunächst auf sich beruhen, um später größere Verbrechen aufdecken zu können. Ihr Vater hingegen hatte beschlossen, die Seite zu wechseln. Doch bereits dieses abgekartete Spiel, von dem Holmes ihr eben berichtet hatte, hinterließ bei Dani einen üblen Nachgeschmack.
Und trotzdem – wenn der Plan aufging, würden die Kollegen Craigs Clubs unangetastet lassen, um an Informationen über den Mord an Rosie zu gelangen.
Am liebsten hätte Dani selbst mit Craig verhandelt. Je länger sich der Fall ohne ihre Beteiligung hinzog, desto schwerer würde es werden, an Informationen zu kommen. Und vielleicht säbelte der Mörder schon bald der nächsten Frau die Haare ab, während Dani in ihrem Hotelzimmer sitzen und TV-Shows über sich ergehen lassen musste.
Sie fluchte. Hör auf damit. Genau das wollte Craig doch. Er wollte Dani auf seine Seite ziehen. Und der Einzige, der das noch mehr wollte, war Dave Gibson. Mehr brauchte er nicht, um sie vom Dienst zu suspendieren.
Dani seufzte und zwang sich, nicht in Selbstmitleid zu versinken. Es gab noch andere Spuren, die sie verfolgen konnte.
Keller Brookes zum Beispiel, Rosies Therapeutin.
»Die Polizei war heute Morgen schon hier«, sagte Keller, als sie es sich im Schneidersitz auf dem großen Sofa in ihrer Praxis bequem gemacht hatte. Keller, die an keiner Praline vorbeigehen konnte, war schon vor Jahren nach Miami gezogen. Heute trug sie Jeans und ein Spitzenoberteil, das unter einem Langarmshirt hervorlugte. Dani hatte ihr einmal in einer privaten Sache geholfen, denn Kellers Schwester wurde seit Jahren vermisst. Es hieß, sie sei tot, doch der Fall war noch nicht abgeschlossen. Keller hatte sie noch nicht aufgegeben.
»Und was hast du meinen hochverehrten Kollegen gesagt?«, wollte Dani wissen.
»Man sagte mir, du seist im Urlaub.«
»Ich bin zurück. Was hast du ihnen nun gesagt?«
»Dass alles, was ich mit Rosie in ihren Therapiesitzungen besprochen habe, vertraulich ist.«
»Der Tod hebt die Vertraulichkeitsregelung auf. Außerdem können sich die Kollegen eine richterliche Verfügung besorgen.«
»Das werden sie auch tun müssen.«
Dani sah sie prüfend an. »Wir wissen von dem Baby, Keller.«
»Ich weiß. Die Autopsie.«
Dani nickte.
»Ihre Mutter ahnt nichts davon«, sagte Keller. »Das war Rosie wichtig.«
»Und ich versuche, dafür zu sorgen, dass sie auch weiterhin nichts davon erfährt. Aber wir müssen herausfinden, was in Rosies Leben geschah und warum es jetzt zu Ende ist. Ihrer Schwester fällt nichts zu den letzten Jahren ein, das relevant sein könnte. Rosie wurde nur ein paar Wochen, nachdem sie zurückgekommen war, umgebracht. Es könnte also sein, dass ihr Tod mit irgendeiner Geschichte zusammenhängt, die sich hier vor längerer Zeit abgespielt hat.«
»Welche zum Beispiel?«
»Das Baby. Was ist mit dem Kind passiert?«
Keller stand auf und lief nervös vor dem Fenster auf und ab. »Überzeuge mich, dass es dir irgendwie hilft, Rosies Mörder zu finden, wenn ich dir persönliche Informationen von ihr anvertraue.«
»Je mehr wir von ihr wissen, desto größer ist unsere Chance, dass wir –«
»Das reicht mir nicht.«
Dani seufzte. »Es gibt Grund zu der Annahme, dass Rosie kürzlich versucht hat, ihr Kind ausfindig zu machen. Und dass Russell Sanders ihr dabei geholfen hat.«
»Woher weißt du das?«
Von Sanders’ sturzbesoffenem Sohn. »Das darf ich dir nicht sagen.«
Keller schloss die Augen. »Also gut. Sie war tatsächlich auf der Suche nach ihrem Kind. Einem Jungen. Aber sie hatte das Kind nicht auf legalem Weg zur Adoption freigegeben.«
»Wie dann?«
»Dani …«
»Mein Gott, Keller, willst du allen Ernstes Kinderhändler schützen?«
»Ich will nur dieses Zentrum
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