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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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als er Aurelia ein wenig Champagner eingoss und ihr eine große Schachtel überreichte. Aurelia löste das Schleifenband und hob ein dunkelblaues Seidenkleid hervor. Sie umarmte ihn überschwänglich und verschwand lächelnd hinter dem Paravent, um das weiße Miederkleid loszuwerden.
    Plötzlich war sie weg, auch der Geck saß nicht mehr auf dem Bett, und Gregor kehrte langsam zurück ins Sternenzimmer. Sein Blick blieb dabei auf dem geschnürten Leinenbeutel haften, der noch immer auf dem Bett lag. Er bräuchte einfach nur aufzustehen, danach zu greifen und sich auf den Weg zu machen. Doch er saß da wie festgewachsen. Vielleicht musste alles so kommen, weil seine Bestimmung eine andere war?
    Er horchte auf, doch das soeben vernommene Geräusch an der Türe verschwand wieder. Es hätte ihn auch verwundert, wenn Helena sich dagegen entschieden hätte, mit dem Äskulap zu disputieren, und auf halbem Wege umgekehrt wäre.
    Lange hatten sie beide über ihre Blatterntheorie gesprochen, und er hatte für sich im Stillen eine Entscheidung getroffen. Er war frei und ungebunden, nur vor sich selbst verantwortlich und darum würde er Helena für den Versuch zur Verfügung stehen – in vollem Bewusstsein darüber, dass er dabei sein Leben riskierte. Nicht weil er ihr imponieren wollte, sondern weil er nicht mit der Gewissheit leben könnte, womöglich ein Mittel gegen die Blattern zu kennen, während sich die Seuche weiter ungehemmt ihre Opfer
suchte; Kinder, Mütter und Väter, die fortan im Himmel ruhten und auf der Erde bitter fehlten. Er schaute zur bemalten Zimmerdecke, verband die goldenen Punkte zu Sternbildern und versuchte, das scheinbare Chaos gedanklich zu gliedern.
    Plötzlich öffnete jemand ohne vorangegangenes Klopfzeichen die Tür. Gregor wollte sich gerade intuitiv mit einem Satz unter das Bett retten, als er Aurelias Stimme vernahm.
    Befangen trat sie näher. »Darf ich?«
    »Ja, natürlich!«
    Mit jedem ihrer Schritte wurde sein Herzschlag schneller, und er versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Ein Anfall wäre das Letzte, was er jetzt gebrauchen könnte.
    Aurelia kam vorsichtig näher, so als könnte das kleinste Geräusch den Augenblick zerstören, der vertraut und fremd zugleich war. Die ungewohnte Stiftsrobe und die festliche Frisur machten sie zu einer anderen Frau, deren Gesichtszüge ihm jedoch so vertraut waren; dieses versteckte, unsichere Lächeln und die großen, dunklen Augen, in denen immer eine Spur Traurigkeit lag. So wie jetzt, als ihr Blick auf den geschnürten Leinenbeutel fiel.
    »Du willst wirklich fort?«
    »Ja, ich …« Auf einmal fehlten ihm die Worte.
    »Darf ich mich setzen?«, fragte sie und deutete mit zitternder Hand auf das Bett.
    Er nickte. Entgegen allen Anstands blieb er wie versteinert auf dem Stuhl sitzen.
    Aurelia nahm auf der Bettkante Platz und nestelte am Spitzensaum ihres Ärmels herum, während sie die Augen noch immer nicht von dem Leinenbeutel an ihrer Seite abwenden konnte.

    »Weißt du noch, Gregor, als wir zu Gründonnerstag gemeinsam in die Stadt gegangen sind?«
    »Ja, damals kamen uns viele Leute mit solchen Leinenbeuteln entgegen.«
    »Und wir haben kurzerhand dabei geholfen, das Brot an die Bedürftigen zu Ehren der Stiftsgründerin zu verteilen.«
    Er lächelte. »Ja, wenn das dein hochwohlgeborener Vater erfahren hätte. Und danach sind wir …«
    »… noch gemeinsam in ein Gasthaus gegangen, um etwas zu trinken.«
    »Zum Bär hieß es, oder?«
    »Stimmt! Zum Bär! Und der Wirt, weißt du noch? Er hat mich als deine Frau angesprochen und gefragt, ob wir ein Zimmer möchten.«
    »Und wie groß waren seine Augen, als er erfahren hat, dass er sich beinahe der Kuppelei schuldig gemacht hätte!« Sein Lächeln erstarb, und er räusperte sich. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du in Wien Ähnliches mit einem Mann erlebt hast?«
    Aurelia schaute ihn an, anscheinend auf der Suche nach den richtigen Worten. Sie rang mit sich, holte Luft, als wollte sie etwas sagen und sank dann wieder in sich zusammen. Nach geraumer Zeit schüttelte sie den Kopf. »Es hilft nichts, ich muss es dir sagen … Nein, zuerst nur noch das: Ich liebe dich und nur dich.«
    Gregor stutzte und legte die Stirn in Falten.
    »Das ist wichtig, damit du all das verstehst, was ich dir jetzt sagen werde: Es ist wahr, du hast Recht vermutet, ich habe in Wien einen Mann kennengelernt, und ich habe mich mit ihm eingelassen.«
    »Warum?«, fragte er mit belegter Stimme.

    »Die Sehnsucht nach

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