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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Händen der Eltern gesehen.
    »Halt, warte!«, stieß sie plötzlich hervor. »Meine Großmutter übernahm das Kuhmelken, als ich ein paar Monate alt war. Das hat sie mir mal erzählt. Sie ging ihnen zur Hand, weil meine Eltern angeblich einen Ausschlag an den Händen gehabt hatten. Das könnten die Melkerknoten gewesen sein!«
    »Und wann wäre das genau gewesen?«
    »1783 bin ich geboren. Und ich war vierzehn, als sie an den Blattern gestorben sind.« Schnell schluckte sie den Kloß in ihrem Hals hinunter.
    »Und deine Großmutter, wann hatte sie die Melkerknoten? «
    »Da war ich fünf Jahre alt. Es war im Herbst. Sie brachte mir gerade das Lesen bei. Ich sehe die Knoten auf ihren Händen noch deutlich vor mir, immer wenn sie die Buchseiten …« Helena verstummte vor Schreck. »Weißt du was? Das war im Herbst vor vierzehn Jahren und meine Großmutter ist vor ein paar Tagen an den Blattern gestorben … Wieder vor vierzehn Jahren! Das würde heißen, die Melkerknoten bieten nur eine begrenzte Zeit Schutz! Aber immerhin scheinen sie tatsächlich zu wirken … Darum konnte meine Großmutter auch die Seuche vor sechs Jahren noch überleben, meine Eltern nicht mehr.«
    »Und wann hast du die Melkerknoten bekommen?«
    Helena verzog das Gesicht. »An meiner Konfirmation. Das war ein Jahr bevor meine Eltern starben.«

    »Das heißt …«
    »Das heißt vor sieben Jahren, ich konnte damit beide Seuchen überleben und bin wohl noch ungefähr weitere sieben Jahre vor den Blattern gefeit.«
    »Und wenn du bis dahin noch einmal die Melkerknoten bekommst, dann könnten es weitere vierzehn Jahre werden.«
    »Gregor, das ist es! Nun können wir fast sicher sein, dass die Melkerknoten vor den Blattern schützen!« Helena umarmte ihn vor Freude, doch er lächelte nicht. Seine Gedanken schienen woanders zu sein.
    »Du musst es dem Äskulap beweisen. Eher wird er dir nicht glauben. Es muss jemand sein, der weder eine Inokulation noch die Blattern noch Melkerknoten hatte, um den Beweis anzutreten.« Er hob den Kopf. »Und das bin ich.«
    »Bist du wahnsinnig? Der Äskulap wird dich schneller an den Galgen hängen lassen, als du Melkerknoten sagen kannst! Er ist so …«
    »So hinterhältig. Ich weiß.«

    Der Leibarzt lehnte sich mit einem entspannten Lächeln auf dem Samtstuhl zurück und faltete die Hände über der Brust, als säße er im Theater und erwarte den Beginn eines Lustspiels.
    Aurelias Augen füllten sich mit Tränen. »Ich gehe nicht eher aus dieser Höhle, als dass Sie mir geholfen haben! Verstehen Sie denn nicht? Ich kann das Kind nicht bekommen. Im Stift sind meine Tage gezählt, und zu Hause würde man mir mit schwangerem Leib nicht einmal die Tür öffnen! Wo soll ich denn hin?«

    Der Leibarzt schob eine Hand in seine blauseidene, im Feuerschein glänzende Weste. »Ein wahrhaft dramatisches Epos. Zudem stellt sich die Frage, ob der Kindsvater überhaupt noch lebt. Ihr Möchtegernsoldat Gregor ist doch nicht Manns genug, überhaupt eine Waffe zu führen.«
    Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen und sah dem Leibarzt tapfer in die Augen. »Umso dringlicher benötige ich Ihre Hilfe.«
    »So sollten wir uns zuerst über meine Entlohnung unterhalten, wenn ich Ihnen das Balg schon unbedingt wegmachen soll.«
    Aurelia atmete tief durch. »Wie viel verlangen Sie? Ohne Bemäntelung habe ich kein bares Geld zur Verfügung, das wissen Sie.«
    »Oh, wer spricht denn von Geld?« Er stand auf, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und umrundete sie gemessenen Schrittes wie eine Stute vor dem Kauf. Seine Ausdünstungen glichen denen eines Misthaufens, schwer und unerbittlich drang ihr der Geruch in die Nase, während sein Blick unaufhaltsam über ihren Körper wanderte, über jede ihrer Rundungen und schließlich auf der Stelle ihres Rockes haften blieb, wo er ihre Scham vermutete. »Ich gedachte vielmehr an tägliche Besuche Ihrerseits. Allerdings kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Sie hernach nicht wieder dasselbe Problem haben wie zuvor, ich meine, falls ich Ihre Kirche nicht rechtzeitig vor dem Segen verlasse. Aber sodann können wir gern von vorn beginnen.« Er entblößte sein fauliges Gebiss. »Das Leben ist nun einmal ein ewiger Kreislauf, nicht wahr, Gnädigste?«
    Aurelia bewahrte Haltung, obwohl die Wut mit ihr durchzugehen drohte.

    Der Äskulap lächelte süßlich. »Sie haben doch sicherlich reichlich Quecksilber gegen das kleine Pickelchen an ihrer Öffnung verwendet, wie ich Ihnen empfohlen habe, nicht

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