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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Geburt gelten als wichtigstes Indiz für Kindsmord! Und darauf steht zwar nicht mehr das Schwert, aber Zuchthaus auf unbestimmte Zeit! Hingegen gäbe es Findelhäuser in vielen Städten.«
    Aurelia machte große Augen. »Ich gebe mein Kind nicht ab. Es ist doch mein Kind! Ich würde es behalten, wenn ich nur wüsste, wie ich uns durchbringen soll …«
    Helenas Gedanken schweiften in die Ferne. Sie dachte an Menschen, die sie kannte. Sie schaute sich dort in den Häusern um, ging verschiedene Möglichkeiten durch und kehrte nach einer Weile in die Wirklichkeit zurück. »Sie haben Recht. Es würde niemand eine ledige Frau mit einem unehelichen Kind aufnehmen, geschweige denn ihr anständige Arbeit geben.«
    »Siehst du!« Aurelia fing wieder an zu weinen.
    »Nun ja, es wird uns schon was einfallen …« Helena wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. »Das Wohlverleih nehme ich jedenfalls wieder mit. Ach, und das Quecksilberwasser
hatte ich ja auch noch dabei. Wissen Sie, wogegen Ihnen der Leibarzt Aqua mercuriale verordnet hat?«
    Aurelia schüttelte den Kopf.
    Quecksilber half bei vielerlei Leiden, überlegte Helena, und es wurde oft genug verwendet, um bedenklich trübes Brunnenwasser von allerlei Giften zu befreien. War der Brunnen hier im Stift nicht sauber? Und Aurelia fehlte nichts, sie war nur … »Haben Sie ihm etwas von der Frucht in Ihrem Leib gesagt?«
    Aurelia senkte den Kopf. »Ja, das habe ich.«
    Helena lächelte verständig. »Sodann nehme ich das Quecksilberwasser auch wieder mit.«
    »Danke, Helena.«
    »Schon gut. Versuchen Sie jetzt ein bisschen zu schlafen, damit Sie Ihre Kräfte sammeln.« Helena erwiderte das zaghafte Lächeln der Gräfin zum Abschied, es gab Anlass zur Hoffnung, und dennoch ging Helena mit einem unguten Gefühl.

    Gregor saß vor einem Stapel ledergebundener Bücher und schaute ihr gespannt entgegen, als Helena nach dem vereinbarten Klopfzeichen das Sternenzimmer betrat. Das Kerzenlicht spiegelte sich im Fenster und tauchte den Schreibtisch in warmes Licht. Gregors Wangen waren von winzigen Bartstoppeln übersät, die Haare nicht mehr zerzaust, sondern locker zu einem Zopf gebunden.
    »Du siehst jetzt beinahe aus wie ein kühner Seefahrer.«
    »Ballonfahrer, Helena. Ballonfahrer, nicht Seefahrer.« Seine Stimme klang rau und ein wenig brüchig. »Seefahrt
ist viel zu langweilig. Das Meer setzt Grenzen, aber in der Luft kann man hin, wo man will. Überallhin.« Er hielt inne. »Schön, dass du kommst. Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht. Siehst du, der Engel hat auch die ganze Zeit Ausschau nach dir gehalten.« Gregor rückte die steinerne Figur vom Fenster weg und stellte sie wieder richtig herum auf den Schreibtisch. »Wir haben schon befürchtet, du hättest einen anderen Schlafplatz gefunden.«
    »Ich war nur noch einmal bei Lea und danach musste ich … einer Gräfin noch etwas vorbeibringen.« Beinahe hätte sie etwas von Aurelia gesagt. Sie stand noch immer unter dem Eindruck des Geschehens.
    »Helena, was ist los mit dir? Was beschäftigt dich?«
    »Tut mir leid, ich war gerade in Gedanken woanders. Es ist nicht deinetwegen.« Doch wenn jemand Aurelia helfen konnte, dann war es Gregor.
    »Ich habe wieder Feuer im Ofen gemacht. Warm genug so?« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Ja, danke.« Helena sog den Duft des brennenden Tannenholzes in sich auf und stellte den Medizinbeutel auf den Schreibtisch. »Aurelia war vorhin bei dir, nicht wahr?«, setzte sie vorsichtig an.
    »Oh, meinem Arm geht schon viel besser!«, wich er ihr aus. »Dank deiner Hilfe werde ich ihn wohl bald wieder richtig gebrauchen können. Was sagst du überhaupt zu meiner frischen Kleidung? Ist mir vorhin auf meinem Streifzug nach etwas Essbarem in der Waschküche in die Hände gefallen. Habe mich jetzt lange genug wie ein halber Mensch gefühlt. Sieht doch gut aus, oder? Ein bisschen kurz vielleicht, aber immerhin ohne Löcher«, griente er.
    Das neue Hemd reichte nicht bis in die Hose und die Ärmel
endeten bald nach dem Ellenbogen. Allerdings saß er damit so selbstbewusst da, als sei es die neueste Mode. Und auf eigentümliche Weise sah er darin sogar gut aus – und er gefiel ihr.
    »Was ist, Helena? Warum schmunzelst du? Sehe ich etwa lustig in meinem Aufzug aus?«
    »Nein, nein.« Sie musste noch mehr grinsen.
    »Helena«, sagte er und drohte ihr spielerisch mit dem Finger. »Sag mir sofort, warum du lachst, oder …«
    »Oder?« fragte sie keck und strich sich eine Locke

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