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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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Sie, Herr Horvath?«
    »Neununddreißig.«
    »Familienstand?«
    »Ledig.«
    »Haben Sie eine Lebensgefährtin oder eine Freundin?«
    »Ich … nein … Dazu möchte ich jetzt nichts sagen.«
    »Kein Problem«, sagte Lily und begann in den Unterlagen zu blättern, die vor ihr lagen.
    Ihr war klar, dass Horvath nicht zufällig eine Antwort verweigert hatte. Er schämte sich dafür, allein zu sein. Nicht Single, sondern eben allein. Einsam. Vielleicht rührte daher das krankhaft verstärkte Interesse am Dasein anderer Menschen. Und dieses Interesse samt den damit verbundenen Spionagetätigkeiten verstärkte wiederum seine Einsamkeit. Stefan Horvath war in einem Teufelskreis gefangen.
    »Möchten Sie, Herr Horvath, irgendetwas zu den Umständen sagen, die zu Ihrer Festnahme geführt haben?«
    »Ich möchte nicht, dass … ich … nicht wirklich.«
    »Na gut, dann eben nicht.«
    Die Tür zum Verhörzimmer öffnete sich. Horvaths Anwalt trat ein, begleitet von der Kriminalbeamtin Marlene Metka, die den Raum sofort wieder verließ. Lily kannte ihn als einen der prominentesten Strafverteidiger Wiens.
    Georg Sima war eine seit beinahe dreißig Jahren bekannte Kapazität in österreichischen Gerichtssälen. Wenn man nichts in der einschlägigen Chronikberichterstattung über ihn las, dann in den lokalen Gesellschaftsspalten, wo er regelmäßig mit deutlich jüngeren Begleiterinnen auffiel.
    Sima reichte Lily mit ausgesuchter Höflichkeit die Hand, dann, weniger höflich als vielmehr beinahe kumpelhaft, seinem Klienten. Er sagte knapp: »Machen Sie bitte weiter, Frau Doktor Horn!«, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an den Tisch.
    »Gut, Herr Horvath, also wann immer Sie ihren Anwalt konsultieren möchten, teilen Sie das bitte mit«, sagte Lily. »Ich war gerade dabei, die Umstände Ihrer Festnahme zu schildern. Wir haben Sie in Ihrer Wohnung angetroffen, die quasi technisch hochgerüstet war. Ferngläser, Nachtsichtgeräte, Teleskope, Richtmikrofone, Videokameras, Fotoapparate mit starken Teleobjektiven, Videobeamer. Alles, was das Herz begehrt. Das ist Ihnen natürlich unbenommen. Problematisch könnte sein, dass Sie offenbar recht intensiv das Leben einer bestimmten jungen Frau verfolgt haben. Jener Frau, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag gewaltsam ums Leben gekommen ist. Wissen Sie, worauf ich anspiele?«
    Stefan Horvath blickte nur stumm vor sich hin und starrte ins Leere.
    »In Ihrer Wohnung gibt es nämlich«, fuhr Lily fort, »nicht nur diverse Beobachtungsvorrichtungen, die direkt auf die gegenüberliegende Wohnung eines Mordopfers gerichtet waren. Sondern auch eine Art Pinnwand. Diese Pinnwand war voller Fotos und Screenshots, die eine einzige Person zeigen: Magdalena Karner, das Mordopfer. Geradezu ein Heiligenschrein. Mit Bildern, die Magdalena Karner auf Teleobjektivaufnahmen in ihrer Wohnung abbilden, zu unterschiedlichen Tageszeiten, manchmal auch leichtbekleidet oder nackt. Sind Sie sich dessen bewusst, dass dies in Zusammenhang mit dem Mord etwas seltsam wirkt?«
    Horvath sah seinen Anwalt an, der ihm aufmunternd zunickte.
    »Sie hat mir eben gefallen«, sagte Horvath, nachdem er laut gehustet hatte. »Sie war hübsch und jung und … trotzdem sehr ordentlich und sauber. Aber auch ganz offen … Sie hat da in ihrer Wohnung ihr Leben gelebt, sie hat nichts zu verbergen gehabt, hat sich nicht hinter Vorhängen versteckt, sondern war einfach und unkompliziert … Nicht so wie andere junge Mädchen, die nur Blödsinn machen, aber alles verheimlichen …«
    Bei Horvath verschmolzen die Beobachtungen mit seinen privaten Interpretationen. Magdalena Karner war zum Objekt seiner Projektionen geworden. Was ihm in der Realität von echten Frauen verweigert worden war, hatte sie ihm geboten. Nämlich die Teilnahme an ihrem Leben. Eine Art Zusammensein, ein durch Kameras und Objektive ermöglichtes Miteinander.
    »Herr Horvath, haben Sie einen Beruf?«
    »Ja, natürlich, ich bin … Webdesigner. Ich mache viel im Internet.«
    »Für wen sind Sie tätig?«
    »Ganz verschieden … alles freiberuflich …«
    Er sah sie jetzt ganz ergeben und unterwürfig an. Von einer Frau konkret nach den Umständen seines Lebens gefragt zu werden, war er nicht gewohnt. Die ausweichende Antwort zeigte, dass seine Beschäftigungsverhältnisse prekär waren.
    »Können Sie von Ihrer Arbeit leben? Ich meine, wie können Sie sich diese geräumige Wohnung im ersten Bezirk eigentlich leisten?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde schien

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