Maedchengrab
den Schnarcher verstummen zu lassen und die anderen Patienten zu wecken.
»Vielleicht braucht er die Medikamente doch schon jetzt«, rief Rebus der Schwester zu, bevor er zum Fahrstuhl ging.
In jener Nacht saß Darryl in dem von der Northern Constabulary zur Verfügung gestellten und bezahlten Hotelzimmer am Schreibtisch, sein Laptop war angeschlossen, sein Handy lud. Er hatte bereits mit seiner Mutter und seinen Brüdern telefoniert, außerdem mit einer Nachbarin, die ein Auge auf alle drei werfen wollte. Danach hatte er seinen Vater angerufen und ihm von der Identifizierung erzählt, ohne jedoch zu erwähnen, dass Frank Hammell auch dabei sein würde. Schließlich war Morris Gerald Cafferty dran.
» Wie schlägst du dich?«, fragte Cafferty.
»Spielt keine Rolle. Ihre Idee, dass Frank was damit zu tun hat, hat sich doch jetzt zerschlagen.«
»Zugegebenermaßen.«
»Also, warum rede ich dann überhaupt mit Ihnen?«
» Weil du, egal was passiert, immer noch ein Junge mit Ambitionen bist.«
»Ich bin kein ›Junge‹. Und wissen Sie, der ganze Scheiß, den Sie mir über Franks Feinde erzählt haben – wie kommen Sie darauf, dass ich Sie nicht dazu zähle?«
»Entführungen sind nicht mein Stil, Darryl. Durch mich ist kein Unschuldiger je zu Schaden gekommen.«
»Ist das wirklich so?«
»Andere würden vielleicht widersprechen, aber ich bilde mir ein, einen gewissen Standard einzuhalten.«
»Ich bin nicht sicher, ob das zu den Geschichten passt, die ich über Sie gehört habe.«
»Geschichten, die Hammell erzählt hat.«
»Nicht nur er. Viele Leute sind verschwunden, die Falschen hinter Gittern gelandet …«
»Die Zeiten haben sich geändert, Darryl.«
»Genau das sage ich ja. Sie sind Geschichte, Cafferty.«
»Langsam, mein Sohn …«
»Ich bin nicht Ihr ›Sohn‹ – ich bin nicht Ihr Sohn und auch kein Junge!«
»Ganz wie du willst, Darryl. Ich weiß, dass du unter Stress stehst.«
»Sie wissen gar nichts über mich.«
Christie legte auf und ignorierte Caffertys Rückrufversuch. Er machte sich an seinem Laptop zu schaffen, steckte den Memorystick ein, dabei hallten Caffertys Worte in ihm nach.
Durch mich ist kein Unschuldiger je zu Schaden gekommen.
Erzähl das mal Thomas Robertson.
49
»Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen«, sagte Clarke am nächsten Morgen beim Frühstück.
Rebus kam als Letzter runter, hatte es gerade so geschafft, sich notdürftig zu rasieren und unter einem spärlichen Wasserstrahl lauwarm zu duschen.
» Wo ist Page?«, fragte er.
»Schon wieder im Präsidium.« Clarke bemühte sich, nicht gereizt zu klingen.
»Ich nehme an, deine Dienste wurden nicht verlangt.«
Die Pensionswirtin hatte angefangen, die beiden anderen Tische abzuräumen. Sie trug eine blau karierte Schürze über ihren sehr schicken Klamotten, ganz offensichtlich hatte sie sich mit ihrem Make-up große Mühe gegeben und auch eine ordentliche Ladung Parfüm nicht vergessen. Als sie sich entschuldigte, weil ihr der Speck ausgegangen war, erwiderte Rebus, er sei mit Kaffee und Toast zufrieden.
»Porridge? Oder vielleicht ein pochiertes Ei?«
»Toast ist wunderbar.«
Als sie wieder gegangen war, hielt Clarke eine Zeitung hoch, damit Rebus die Schlagzeile auf der ersten Seite lesen konnte:
A9- KILLER – MASSENGRAB ENTDECKT
»Kommt jetzt auch überall im Radio«, setzte sie hinzu. »Die haben sogar ein paar Leute aufgetrieben, die behaupten, sie würden die Strecke auf absehbare Zeit nicht mehr fahren …«
»Hast du das Gefühl, es könnte wieder ein langer Tag werden?«
»Meinst du, du kommst ohne Mittagsschlaf aus?«
»Ich? Bin putzmunter.«
Sie hatte ein paar Flyer neben sich auf dem Tisch liegen, und Rebus fing an, sie durchzublättern.
»Delphine beobachten?«
»Mrs Scanlon sagt, das kostet nichts – es gibt eine Stelle namens Chanonry Point, da kommen sie praktisch direkt bis vor die Küste.«
»Meinst du, wir haben Zeit, uns ein bisschen touristisch zu betätigen?«
»Hängt ganz vom lieben Chef ab.«
Die Wirtin kam mit dem Kaffee – nur eine kleine Tasse. Rebus starrte sie an.
»Bringen Sie lieber gleich die ganze Kanne, Mrs Scanlon«, riet ihr Siobhan Clarke.
Fernsehkameras filmten die Mutter und die Schwester von Brigid Young beim Verlassen ihres Hauses in Inverness, als sie nach Edderton aufbrachen. Die Mutter hatte einen kleinen Kranz dabei und ein gerahmtes Foto ihrer vermissten Tochter. Die Familie von Zoe Beddows hatte beschlossen, nicht in den
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