Maedchenjagd
lass mich nicht gern von Wellen herumwerfen. Meine Balance ist einfach nicht gut genug, um auf einem wackligen Brett auf dem Wasser zu stehen.«
Von der feuchten Luft hing ihnen beiden das Haar schwer um Gesicht und Hals. Shana stand in der Brandung, ohne zu bemerken, wie sich ihre Schuhe und der Hosensaum mit Wasser vollsogen. Lily trat hinzu, und so standen sie Seite an Seite im seichten Wasser. »Du musst irgendetwas tun, Shana. Bald ist mein Urlaub vorbei, und ich will nicht, dass du den ganzen Tag zu Hause herumsitzt.«
»Ich könnte nach Palo Alto gehen und bis zum Sommersemester jobben. Dann könnte ich vielleicht auch die Miete für die Wohnung bezahlen.«
»Das musst du nicht. Ich bezahle deine Miete weiterhin. Ich habe schon am Tag deiner Geburt angefangen, für deine Ausbildung zu sparen.«
»Nein, Mutter, ich muss das tun«, widersprach Shana. »Ich habe mit deinem Geld Bretts Studiengebühren bezahlt. Deswegen habe ich dauernd mehr Geld gebraucht.«
Lily blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. »Warum hat er seine Studiengebühren nicht selbst bezahlt? Hast du nicht gesagt, dass seine Eltern reich sind?«
»Das waren sie, bis sie ihr Geld beim Börsenkrach verloren haben. Brett war ein guter Student, Mutter, und er hat mir leidgetan. Ich wollte nicht, dass er das Studium aufgeben muss. Aber ich habe mich getäuscht. Brett nutzt seine Mitmenschen aus. Er ist nur deshalb zu diesem Mädchen in Berkeley gezogen, weil seine Eltern gesagt haben, dass er aus dem Wohnheim rausmuss.«
»Warum ist er nicht bei dir eingezogen?«
»Ich hatte da noch eine Mitbewohnerin. Sie wollte das Bad nicht mit einem Typen teilen. Julie war immer supersauber, und Brett ist ein Ferkel. Du hast ja gesehen, wie zugemüllt die Wohnung war. Das waren noch die Reste von Brett.« Sie hielt kurz inne und blickte ihrer Mutter in die Augen. »Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, dass ich dich angelogen und dein Geld genommen habe. Ich weiß ja, dass du nicht reich bist. Ich kann jederzeit als Kellnerin jobben und jüngeren Studenten Nachhilfe geben.« Sie zog Lily in ihre Arme. »Du bist eine wunderbare Mutter. Du hast es nicht verdient, dass ich dir all das angetan habe. Ich möchte es unbedingt wiedergutmachen.«
»Wenn es so ist, bin ich einverstanden. Ich habe nie etwas anderes gewollt, als dass du glücklich bist.« Lily strich Shana zärtlich das Haar aus der Stirn. »Du hast so schrecklich viel durchgemacht. Und immer hast du deine Probleme vor mir verheimlicht. Bitte versprich mir, dass du das in Zukunft nicht mehr tun wirst. Ich werde immer deine beste Freundin sein. Das nächste Mal, wenn du verzweifelt oder niedergeschlagen bist, dann gib mir Gelegenheit, dir zu helfen. Ich weiß, ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht, aber ich werde bestimmt nie wieder einen solchen Fehler machen. Versprichst du mir, dass wir in Kontakt bleiben und du Bescheid sagst, wenn du Unterstützung brauchst?«
»Ja«, sagte Shana lächelnd. Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie packte Lilys Hand. »Da kommt eine riesige Welle. Dreh dich nicht um, Mom, renn einfach, so schnell wie du kannst.«
Sie rannten durch das Wasser und über den Strand, bis sie höherliegenden Boden erreichten. Dort ließen sie sich lachend in den Sand fallen.
»Es tut gut, mal wieder richtig zu lachen«, sagte Lily, die sich aufzusetzen versuchte, doch erschöpft wieder zurück auf den Sand plumpste. »Ist das da deine Tsunamiwelle?«
»Na ja«, Shana kicherte noch mehr. »Von der Ferne hat sie gefährlich ausgesehen. Wahrscheinlich ist sie auf dem Weg ans Ufer kleiner geworden. Ich habe dir ja gesagt, dass ich mich nicht gerne von Wellen prügeln lasse. Jetzt weißt du’s.«
Sie standen auf, klopften sich den Sand ab und gingen Hand in Hand zum Auto. Eine ältere Dame kam ihnen entgegen. »Sie sind so ein schönes Zwillingspaar. Ich liebe Ihre Haarfarbe.«
Lily erwartete, dass Shana wie in der Vergangenheit wütend würde, doch sie lächelte die Frau nur an und bedankte sich für das Kompliment. »Hat es dir nichts ausgemacht, dass die Frau uns für Zwillinge gehalten hat?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Shana. »Du siehst toll aus für dein Alter. Ich hoffe, dass ich später auch so gut aussehe. Wir sollten mal wieder ein gemeinsames Foto machen lassen, so wie früher. Das haben wir ewig nicht gemacht.«
Für Lily war dies das vollkommene Ende eines vollkommenen Tages.
Chris und Lily lagen im Bett, und im Haus
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