Maedchenjagd
richtigen Augenblick. Sie musste sich gedulden, die Kontrolle behalten, nichts sagen oder tun, das ihn aufregen könnte.
Alex nahm einen feuchten Waschlappen aus einer Wasserschüssel neben dem Bett und fing an, langsam ihre Brust und ihren Bauch zu waschen. Er wischte ihr die Tränen vom Gesicht, dann hob er einen Fuß nach dem anderen an und wusch ihn. »Auch die Bestatter waschen die Toten. Shana habe ich schon hergerichtet.«
Lily hatte die Angst hinter sich gelassen. In ihr herrschte nur mehr Entschlossenheit. Doch selbst als er mit dem Waschlappen über ihren Körper fuhr, hatte er die Waffe dicht bei sich.
Jetzt, sagte sie sich. Tu’s jetzt. Er war abwesend, gedankenverloren. Gerade wollte sie nach dem Revolver greifen, da trat er einen Schritt zurück. Die Gelegenheit war verpasst. Er zog etwas aus seiner Tasche.
»Setz dich auf, damit ich dir die Halskette anlegen kann. Auf unserer Reise sollst du aussehen wie eine Königin. Meine Prinzessin habe ich schon, aber ich brauche auch eine Königin.«
Noch immer wusste sie nicht, wie sie an die Pistole gelangen sollte, also saß sie da wie ein Mannequin, während er ihr die Halskette umlegte, einen Armreif und schließlich einen Diamantring an ihrer linken Hand überstreifte. Der Schmuck konnte unmöglich echt sein, die Steine waren zu groß und hätten ein Vermögen gekostet. Trotzdem konnte sie den Ring vielleicht als Waffe benutzen. Ihr Anblick war makaber, als Alex fertig war. Sie war völlig nackt, mit Juwelen behängt, und nur eine Armlänge entfernt lag der entblößte Körper ihrer Tochter.
Es war nur ein Traum, sagte sie sich, ein Alptraum. Jeden Augenblick würde sie aufwachen und sich neben Chris im Bett wiederfinden. Sie hatte schon immer unter Alpträumen gelitten, wenn sie gestresst war.
Alex streifte noch einen Ring über ihren Finger und schob ihn über den Knöchel. Er kniete neben dem Bett. Sie wollte sich hinlegen, um leichter an die Pistole zu kommen, doch er legte ihr eine Hand in den Rücken und schob sie wieder nach oben.
Er stellte sich hin und richtete die Mündung auf sie. »Nie hatte ich eine Braut, eine Hochzeit oder meine eigene Familie. Shana wird jetzt meine Braut sein, und du kannst meine zweite Braut sein. Im Paradies kann man so viele Frauen haben, wie man will.«
»Wir können das alles tun, Alex. Ich kann Chris verlassen und dich heiraten. Wir werden eine Familie sein. Wir werden zusammen weggehen, dorthin, wo niemand uns findet. Alle glauben, dass du tot bist, also wird niemand nach dir suchen.«
»Nein«, sagte er, »du lügst. Ich bin dir egal. Wir müssen gehen, bevor uns die Polizei findet.«
Lily bekreuzigte sich und schloss fest die Augen. »Und wenn ich auch wanderte im finsteren Todestal, so fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.«
Sie wartete darauf, dass sich die Kugel in ihren Körper bohrte, dass die Dunkelheit sie umfing, und hoffte, dass Shana sie auf der anderen Seite empfinge.
Doch nichts passierte. Sie öffnete die Augen.
Die Hand von Alex zitterte. Auf seine Stirn traten Schweißperlen. Sie dachte an den Zeitungsartikel, den Shana ihr gezeigt hatte, und an Alex’ Aussage gegenüber der Polizei, dass er nicht in der Lage gewesen war, sich selbst umzubringen. »Gib mir die Pistole«, sagte sie mit fester Stimme. »Du kannst das nicht. Du hast es damals nicht geschafft, dich selbst zu töten, und du wirst es auch diesmal nicht schaffen. Du musst das mit Jennifer wiedergutmachen und zuerst gehen.«
Er starrte Lily an, und die Waffe in seiner Hand zitterte.
Wenn Shana tatsächlich lebte, dann gab es nur einen Weg, um sie zu retten. Sie musste Alex dazu überreden, sich selbst zu töten. Wenn ihr das nicht gelang, musste sie zumindest versuchen, dass Shana als Letzte übrig blieb. Solange Shana eine Chance hatte, zu überleben, würde sie bereitwillig sterben. Doch ihr eigentliches Ziel war, Alex zum Selbstmord zu bewegen.
»Du hast Jennifer im Stich gelassen, Alex. Du hast sie erschossen und dann dein Wort nicht gehalten. Mich oder Shana zu töten wird dich von dieser Schuld nicht freisprechen. Ich bin Katholikin, ich kenne mich mit diesen Dingen aus. Du wirst es noch nicht einmal ins Fegefeuer schaffen, geschweige denn ins Paradies.« Er lauschte ihren Worten. Sie hatte seine volle Aufmerksamkeit. »Weißt du, was die Hölle ist? Die Hölle bedeutet die endlose Wiederholung des immer Gleichen. Willst du wirklich bis in alle Ewigkeit die
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