Maedchenjagd
wartete ab, ob Shana mehr erzählen würde. Doch Shana schwieg, also sagte sie: »Andere Mütter haben auch schöne Söhne. Du bist wunderschön, liebenswert und intelligent. Du wirst schneller, als du denkst, einen anderen Mann finden. Und wetten, er ist viel besser als Brett. Solche Dinge passieren nicht von ungefähr. Ich dachte, Bryce und ich würden für alle Zeiten zusammen sein, und dann hat er sich als ein Idiot herausgestellt.« Lilys Ex-Mann war Alkoholiker geworden. Als sie feststellte, dass er sie regelmäßig betrog, hatte sie sich von ihm getrennt.
»Es geht nicht nur um dieses dämliche Mädchen. Brett ist der Meinung, dass ich zu viel Ballast mit mir herumschleppe.«
»Willst du verreisen?«
»Ich glaube, du verbringst zu viel Zeit im Gericht, Mom«, sagte Shana. »Er meint den seelischen Ballast. Er findet mich verklemmt, wenn wir miteinander schlafen. Ich kann doch nichts dafür. Manchmal ist alles in Ordnung, aber manchmal krieg ich eben Panik. Ich habe so sehr versucht, das alles zu vergessen.« Sie fing zu weinen an. »Meine Mitbewohnerin hat sich aus dem Staub gemacht, ich bin jetzt allein. Letzten Monat wurde ein Mädchen bei uns im Haus vergewaltigt, und die Polizei hat den Typ noch nicht gefasst. Ständig denke ich, dass ich die Nächste sein werde. Ich habe seit Wochen nicht geschlafen.«
»Ach, mein armer Schatz.« Lily brach es das Herz. »Ich verstehe ja, wie du dich fühlst, aber du darfst dich nicht der Angst hingeben. Du musst dich ablenken. Du hast doch bestimmt viel zu tun, oder? Warum fragst du nicht eine Freundin, ob sie eine Weile bei dir wohnt? Zumindest bis du eine neue Mitbewohnerin findest.«
»Ich möchte nicht Juristin werden.«
Für Lily war es ein Schlag in den Magen. »Seit wann denn das?«
»Ich habe keine Lust, Verbrecher zu verfolgen. Warum soll ausgerechnet ich mich darum kümmern? Am Ende rächen sie sich an mir, wenn sie aus dem Gefängnis draußen sind. Marco Curazon war hinter mir her und hat meinen Vater getötet. Was ist, wenn sie meinen Kindern etwas antun, um es mir heimzuzahlen?«
»Das, was mit Curazon passiert ist, war ein Fall unter einer Million. Du musst ja auch nicht Staatsanwältin werden. Die meisten Angeklagten vergessen dich eh, sobald sie im Gefängnis sind.«
»Ein Fall unter einer Million? Das weißt du doch gar nicht. Das hast du dir gerade ausgedacht.«
»Solche Dinge passieren sehr, sehr selten, Shana. Du darfst keine Angst haben, denn dann hat Curazon gewonnen. Willst du das?«
»Ich werde noch nicht mal richtig Geld verdienen, wenn ich Bezirksstaatsanwältin bin. Schau dich an, du bist Richterin und machst nicht viel Geld. Ich habe zu hart dafür gearbeitet, als dass dann nichts dabei rüberkommt.«
Lily war niedergeschmettert, dass ihre Tochter ihren Traum aufgeben wollte, Staatsanwältin zu werden. Sie hoffte, dass Shana es sich anders überlegen würde, wenn sie die Trennung überwunden hatte. Jeder hatte hier und da mal einen Tiefpunkt. Shana und dieser Brett waren eine ganze Weile lang ein Paar gewesen. Sie klang so aufgewühlt und eingeschüchtert. Auf alle Fälle musste Lily ernst nehmen, was Shana sagte. Sie war ein wenig unnahbar gewesen, seit sie ihr Jurastudium begonnen hatte, aber hatte dennoch stark und selbstbewusst gewirkt, wann immer sie miteinander telefoniert hatten oder Lily Zeit für einen Besuch gefunden hatte. »Du musst nicht Strafrecht machen, Shana. Du könntest dich auf Familienrecht oder Körperschaftsrecht spezialisieren. Es gibt tausend Möglichkeiten.«
»Ich bin jetzt seit sechs Jahren an der Universität. Du behandelst mich wie ein Kind. Ich bin achtundzwanzig, Mutter. Eigentlich sollte ich längst arbeiten, einen Mann und ein Kind haben. Ich verdiene mir noch nicht einmal meinen eigenen Lebensunterhalt.«
»Es ist doch nicht deine Schuld, dass du später angefangen hast. Es sind eine Menge Dinge passiert, Liebes.«
»Du verstehst mich nicht«, sagte Shana. »Ich habe es satt, die ganze Nacht zu lernen. Es langweilt mich. Ich hasse Jura, und ich hasse diese dämliche Stadt. Es kommt mir so vor, als stecke ich schon mein ganzes Leben hier fest. Ich habe keine Freunde. Die Uni ist voller arroganter Arschlöcher, und alle sind jünger als ich. Die fühlen sich so supertoll, weil sie in Stanford sind. Aber wir sind hier nicht in Harvard oder Yale.«
»Stanford ist auf Platz drei in den USA «, brachte Lily Shana in Erinnerung. »Ich konnte mir keine Spitzenuni leisten. Ich musste arbeiten und auf
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