Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Aber mir hätte er wohl auch Froschlaich auf den Schoß kippen können, und ich hätte ihn verschlungen.
Obwohl ich mich fast übergab, erkannte ich, dass er einen Punkt getroffen hatte: Was für ein Vertrauen musste ich plötzlich zu diesem Mann gefasst haben, dass ich mir etwas, das er mir gereicht und das sich auf meinen Oberschenkeln in der Tat widerlich angefühlt hatte, ohne nachzudenken, in den Mund gestopft hatte? Ich kannte doch seine Spiellaune.Wäre es nicht viel wahrscheinlicher gewesen, dass er mir blinden Kuh tatsächlich Froschlaich vorgesetzt hätte? Und wie konnte ich verhindern, dass mich eine neuerliche Welle von Dankbarkeit erfasste? Dafür, dass er es nicht getan und mir stattdessen echte Spaghetti gegeben hatte?
Schütteln Sie ruhig wieder den Kopf. Aber in jener Nacht musste mir die Tatsache, dass mein Peiniger diese Folter ausgelassen hatte, als Akt größter Menschlichkeit erscheinen. Als Beweis, dass er doch so etwas wie ein Gewissen besaß. Dass er Rücksicht auf meine Bedürfnisse nehmen konnte.
Meine Therapeutin hat immer wieder versucht, mich davon zu überzeugen, dass meine Interpretation aus der damaligen Situation heraus zwar absolut verständlich sei - dass ich jetzt aber erkennen solle, dass mein Peiniger lediglich berechnend gehandelt habe. Um mich »psychisch abhängig« zu machen. »Gefügig« für all das, was er noch mit mir vorhatte. Und sicher liegt meine Therapeutin mit ihrer Sicht nicht ganz falsch. Dennoch lasse ich mich nicht davon abbringen, dass er in jener Nacht irgendetwas für mich empfunden haben muss.
Nachdem ich die allermeisten Spaghetti von meinen Oberschenkeln geklaubt hatte, fragte er, ob er mir den Rest von der Haut lecken solle. Ich sähe aus wie nach einer Fehlgeburt. Ich spürte, wie sich sein Gesicht meinem Schoß näherte, aber dann stieß er heftig die Luft aus und meinte, dass es beim besten Willen nicht ginge. Ich würde zu widerlich stinken. Und so kam es, dass er mir auch noch die restlichen Fesseln löste, mich in den engen Duschraum bugsierte und das (kalte) Wasser über mir anstellte. Ich bat ihn, auch die Haare waschen zu dürfen. Dazu müsse er mir allerdings die Augenbinde abnehmen. In einem dritten Anfall von Milde gab er meinem Wunsch nach.
Über dem Waschbecken hing ein Spiegel, der fast so blind war, wie ich es die letzten vierzehn, fünfzehn Stunden gewesen war. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich begriff, dass das Wesen mit dem zerschundenen Gesicht ich selbst war. (Die philosophische Frage, ob ich wirklich ich selbst war, will ich außer Acht lassen.) Erst in diesem Augenblick realisierte ich, wie lange ich mich nicht mehr im Spiegel gesehen hatte. Sie legen sich keine Rechenschaft darüber ab, wie oft Sie sich an einem ganz normalen Tag anschauen. Selbst wenn Sie ein uneitler Mensch sind oder Ihren eigenen Anblick hassen, kommen Sie garantiert auf fünf- bis zehnmal. Und offensichtlich braucht der Mensch diese Art von regelmäßiger Selbstvergewisserung. Wird sie ihm verweigert, verliert er sich und muss sich erst wieder neu entdecken. Mir wurde dieser Prozess nicht gerade erleichtert dadurch, dass sich mein Gesicht stark verändert hatte, seit ich ihm zuletzt begegnet war. (In Carinas riesigem Badezimmerspiegel hatte mein prüfender Blick noch Fragen gegolten wie: »Ist mein Lippenstift verschmiert?«)
Bevor ich Zeit hatte, mich an mein neues rot-blau-gelbgrünes Gesicht zu gewöhnen, drückte mein Peiniger die letzten Reste einer Duschgeltube über mir aus, und ich versuchte, mir die Haare einzuschäumen. Anfangs ging es mühsam, ich musste die Innenseiten meiner Unterarme benutzen, und meine Schultern schmerzten bei jeder Bewegung, als würden sie ausgerenkt. Doch nach und nach ging es besser. Selbst in meine Hände kehrte ein wenig Leben zurück.
Das Duschgel roch eindeutig nach Mann. Ohne zu wissen, welche Marke es war, war ich sicher, dass sich in der entsprechenden Werbung ein nackter Adonis in die Brandung oder kopfüber von einer Felsklippe stürzte. Vermutlich würde ich so riechen wie die Jungs bei uns in der Schule gerochen hatten, wenn sie nach dem Sportunterricht aus der Umkleide gekommen waren. Außerdem brannte das Duschgel in den Augen. Aber das machte alles nichts. Die Hauptsache war, dass ich mich endlich wieder - wenigstens ein bisschen - wie ein Mensch fühlte .
Diejenigen, die jetzt denken, dass diese Szene so endete, wie es in billigen Geschichten oder Filmen stets endet, wenn ein Mann und eine
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