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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Mutter sagen würde - obwohl sie weiß, dass ich diesen Ausdruck hasse.) Nachdem er erfolglos versucht hatte, sich noch ein Bier zu kaufen, und stattdessen mit einer Dose Erdnüssen zurückgekommen war, dauerte es nämlich keine Minute mehr, bis ich es nicht nur aus den Nebenzimmern, sondern auch vom Doppelbett herauf schnarchen hörte.
    Wenn der Schlaf der Vernunft Ungeheuer gebiert - gebiert dann der Schlaf des Ungeheuers Vernunft? Noch nie hatte mein Peiniger in meiner Gegenwart geschlafen. In dieser Situation überlegte ich dann doch, ob ich eine Chance hätte, ihn zu töten. Wäre der Abstand zwischen Stockbett und Doppelbett kurz genug, dass ich auf seinen Hals springen könnte, ohne mir dabei den Arm auszureißen? Mir war klar, dass ich nur einen Versuch hatte, ihn endgültig außer Gefecht zu setzen. Alles andere würde nicht nur mich, sondern auch die Schläfer in den Nachbarzimmern das Leben kosten.
    Konnte ich nicht vielleicht doch mit dem Fuß an die Pistole herankommen, die neben ihm auf der Matratze lag, wenn ich vorsichtig die Leiter hinunterschlich und mich streckte? Aber was dann? Würde es mir gelingen, die Pistole mit den Zehen so zu fassen, dass ich sie sicher bis in meine Hand schaukeln konnte?
    Noch während ich die Frage der Machbarkeit wälzte, dämmerte mir, dass ich es nicht über mich bringen würde, einen Schlafenden zu töten. Noch nicht einmal diesen. Nie würde es heißen: Juliet hath murdered sleep .

Meine Schuld
    Als mein Peiniger mich nach einer Stunde weckte - er selbst mochte drei oder vier Stunden geschlafen haben -, war ich noch unschuldig. Ich ahnte nichts von dem Verbrechen, das bald geschehen sollte und für das ich die Verantwortung übernehmen muss. (Ob er die viel schlimmere Tat, die er in der kommenden Nacht begehen sollte, im Schlaf ausgebrütet hat?)
    An jenem frühen Morgen war das größte Problem, eine Sonnenbrille zu finden, die groß genug war, die roten, blauen, grünen und gelben Flecken zu verdecken, die sich vor allem um mein rechtes Auge herum gebildet hatten. Mein Gesicht war ein Tagebuch, in dem jeder Analphabet lesen konnte. Die Blicke des Etap -Patrons von Reims und der anderen Frühaufsteher, denen wir begegnet waren, als wir neben der Rezeption zwei (in Plastik eingeschweißte) Brioches mit zwei Pappbechern Kaffee hinuntergespült hatten, waren eindeutig gewesen. Zwar hatte sich mein Peiniger Mühe gegeben, den reuigen Liebhaber herauszukehren-einmal hatte er mir sogar über die Wange gestreichelt, beinahe wäre mir der Kaffee hochgekommen -, dennoch muss ihm klar geworden sein, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis uns der erste Flic ansprach. (Oder bin ich zu naiv? Vielleicht ist es dem durchschnittlichen französischen Flic egal, ob ein Mann mit einem verbläuten, barfüßigen Mädchen in viel zu großen Klamotten herumläuft. Mais, c’est l’amour! C’est personnel, n’est-ce pas? )
    Nach erfolglosen Einkaufsversuchen an Tankstellenshops - die Brillen dort waren alle zu klein gewesen - landeten wir in einem Centre Commercial südlich von Troyes. Meine Eltern hatten bei einem Leclerc, Carrefour oder Géant früher höchstens Halt gemacht, um Wasservorräte zu kaufen. Meinem Vater waren diese »Konsumbaracken«, wie er sie nannte, ein Schrecken. Er konnte sich in Vorträgen darüber verlieren, was für eine Schande es sei, dass sich ausgerechnet die Franzosen zu den Handlangern »amerikanischer Unkultur« hätten machen lassen. (Wobei ich nicht glaube, dass die Franzosen ihre Hypermarchés von den Amerikanern aufgezwungen bekommen haben. So wie sie früher um die römischen Stadtkerne herum ihre Hôtels de Ville und Palais gebaut haben, haben sie später eben um diese Hôtels de Ville und Palais herum ihre Banlieues und Hypermarchés gebaut.)
    Die fünfte oder sechste Sonnenbrille, die ich in dem Intermarché südlich von Troyes aufsetzte, war groß genug. Als ich mich in dem kleinen Spiegel zwischen den Brillenständern sah, musste ich lachen. Ich schaute tatsächlich aus wie eines von diesen Hollywoodhühnern à la Lindsay Lohan. Nur dass ich damals noch nicht ganz so dünn war. Und keine große Handtasche dabeihatte, in der ich mich hätte verstecken können.
    In der Kleiderabteilung hatten mein Peiniger und ich den ersten richtigen »Ehekrach« - zumindest muss es auf Außenstehende wie ein »Ehekrach« gewirkt haben. Er wollte mir ein rosa Sommerkleidchen mit Spaghettiträgern verpassen. Ich erklärte ihm, dass ich ein solches Kleid nur

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