Maedchenmoerder Ein Liebesroman
erzählt, dass Du das Radfahren auch deshalb so geliebt hast, weil Du stets in der Natur, im Freien warst? Und da hatten wir endlich einen Ort gefunden, an dem wir beide es schön fanden - ja, dieser Meinung warst auch Du gewesen, Du hattest die Strecke in der Serra de Cadí sogar »Lieblingstrainingsstrecke« genannt - bis ich vorgeschlagen habe, dort für immer zu bleiben.
Mittlerweile glaube ich fast, Du hattest Angst davor, mit mir im Wald zu leben. Denn natürlich muss man sich sehr gut verstehen, um allein zu zweit im Wald leben zu können. Aber habe ich nicht hinreichend bewiesen, dass ich schweigen kann? Dass ich keins von diesen Mädchen bin, die Tag und Nacht unterhalten werden wollen? Dass ich weder Schmerz noch Entbehrungen fürchte? Mal abgesehen von allem, was davor schon geschehen war: Bin ich in der Sierra Nevada nicht bei neun Grad in diesem dämlichen Kleidchen und den Sandalen herumgelaufen, die Du mir in Andorra gekauft hast? Und habe ich mich etwa mit einem einzigen Wort beklagt?
Soll ich Dir die Wahrheit sagen? Du wolltest nur deshalb nicht mit mir im Wald leben, weil ich Dir gestanden habe, dass ich Dich liebe. Habe ich Recht? Aber ich wollte keinen » auf Lovestory machen «, wie Du mir unterstellt hast. Ich wollte einfach nur mit Dir im Wald leben! Was ist daran so schwer zu begreifen???!!!
Lieber David!
Nun habe ich es also doch getan. Wirklich schade, dass ich in keinem Jahrhundert mehr lebe, in dem Aderlass eine weit verbreitete Heilmethode und als solche akzeptiert ist. (Kann es Zufall sein, dass »Aderlass« und »Ablass« nahezu gleich klingen...?) Ich vermute, die Erleichterung, die ich verspüre, wenn die Klinge meine Haut durchdringt und endlich das Blut die Beine hinunterläuft, gleicht der Erleichterung, die Du verspürt hast, wenn Dein Messer einen weichen Mädchenkörper geöffnet hat.
Im Bad schaut es gruselig aus, aber darum kann ich mich im nächsten Jahr kümmern. (Es hat wirklich nur Vorteile, allein zu wohnen.) Die letzten Stunden 2006 will ich lieber dazu nutzen, unseren Sonntag zu Ende zu erzählen. Denn jetzt, wo der Druck (wenigstens fürs Erste) weg ist, kann ich mich auch wieder, ohne zu zerspringen, daran erinnern, wie schön es war, als wir beide an jenem Abend in Luchon unter der Dusche standen - und uns die Beine rasierten.
Es tut mir leid, dass ich so lachen musste, als ich auf dem Hotelbett lag - von der ganzen Auf- und Ab-Kurverei war ich ein bisschen seekrank - und sah, wie Du in der engen Duschkabine plötzlich nach Rasierer und Schaum gegriffen und angefangen hast, Dir die Beine zu rasieren. Aber es war um mich geschehen , als Du mir erklärt hast, dass Radprofis sich die Beine wegen der vielen Verletzungen, der vielen Verbände und der vielen Massagen rasieren müssten. Zu jenem Zeitpunkt ist doch längst klar gewesen, dass Du Dir nie wieder eine Radlerverletzung zuziehen und deshalb auch nie wieder einen Radlerverband oder eine Radlermassage brauchen würdest. Ich habe Dir dieses Detail nur deshalb nicht vorgehalten, weil ich Dich für Deinen Spleen liebte . Oder was hast Du geglaubt, warum ich mich zum ersten Mal in meinem Leben freiwillig ausgezogen und dann auch noch zu Dir in die schäbige Duschkabine gezwängt habe? Auch wenn Du mich angeschnauzt hast, was das jetzt wieder solle - in Wahrheit hast Du das Lachen doch selbst kaum unterdrücken können. Und gib es zu: Als ich zu Dir gesagt habe, dass Du Dich ein wenig beeilen sollest, schließlich müsse ich mich auch noch rasieren, da hast Du mich zumindest gemocht . Warum sonst hättest Du Dich auf eine so muntere Rasierschaumschlacht mit mir einlassen sollen, dass die Duschtüren aufsprangen und das bescheuerte Wort »Nasszelle« endlich einmal Sinn bekam? In diesem Moment hat zwischen uns das perfekte Verständnis geherrscht, denn welcher andere Mann würde losprusten, wenn ein Mädchen sagt, dass sie sich auch noch rasieren müsse. Dass dieser Satz bei Dir einen noch größeren Lachanfall ausgelöst hat als das » DÉCHARGE INTERDITE « war für mich der endgültige Beweis, dass Du mich so verstanden hast wie noch kein Mensch zuvor. Und wäre ich mir nicht so sicher gewesen, hätte ich nie gewagt, mich auf die Zehenspitzen zu stellen und Dich zu küssen.
Es macht nichts, dass dieser Kuss höchstens zwei Sekunden gedauert hat. Ich spüre ihn immer noch. Hättest Du dies verhindern wollen, hättest Du mich nicht erst in der dritten Sekunde von Dir stoßen dürfen. Oder Du hättest mich so
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