Maedchenmoerder Ein Liebesroman
entschieden stoßen müssen, dass ich mit dem Hinterkopf nicht nur beinahe, sondern direkt an den Waschbeckenrand geknallt wäre. Dann wäre ich vielleicht tatsächlich gestorben - wie ich es damals geglaubt hatte, als ich in dem Seifenglitsch lag und es in meinem Kopf so zu flimmern begann, wie der Bildschirm meines ersten Computers geflimmert hatte, kurz bevor seine Festplatte endgültig abgestürzt war. Als Du Dich über mich gebeugt, mich an den Schultern gerüttelt und ein paarmal »Julia« zu mir gesagt hast, war ich endgültig überzeugt, tot zu sein. Denn dass Du mich mit meinem Namen ansprachst, gehörte zu den Dingen, die sich im Diesseits unmöglich ereignen konnten …
Es war also durchaus keine »Show«, die ich abgezogen hätte, um Dich zu erschrecken, als ich reglos am Boden liegen geblieben bin. Allenfalls bin ich bereit zuzugeben, dass ich etwas schneller hätte zu mir kommen können. Aber da warst Du ohnehin schon in die Knie gegangen, hattest mich mit einer Behutsamkeit, die ich Dir nie zugetraut hätte, hochgehoben, aus dem Bad hinausgetragen und ebenso vorsichtig aufs Bett gelegt.
Als Du mir zur Belohnung für Deinen Ausrutscher, der dann leider mein Ausrutscher geworden war - sorry, blöder Scherz -, als Du mir in der schäbigen Nasszelle die Beine rasiert hast, um mir zu zeigen, wie man es richtig macht, hätte ich wimmern mögen - so gut haben sich Deine Hände, der Rasierschaum und die Klinge auf meiner Haut angefühlt.
(Hast Du wirklich nichts bemerkt? Oder wolltest Du mal wieder nichts bemerken...?)
Ich habe mir übrigens angewöhnt, mindestens zweimal in der Woche die Beine zu rasieren. (Dabei schließe ich die Augen und denke an Dich...) In den ersten Wochen nach meiner Rückkehr, als sie mich in dieser schicken Privatklinik versteckt haben, weil die Medien sowohl die Wohnung meiner Mutter als auch das Haus meines Vaters belagerten, ist es allerdings gar nicht einfach gewesen, an Rasierklingen heranzukommen. Ich musste hundertmal versichern, dass ich mir wirklich nur die Beine rasieren wollte. Und auch dann haben sie mir nur irgendeinen Lady - Shave -Quatsch gegeben, bei dem die Klingen so eine Art Kindersicherung haben. (Natürlich hatten diese Naivlinge Angst, ich würde mir »etwas antun«. Und die ersten Tage ohne Dich waren ja auch die Hölle gewesen. Wenn ich mir also tatsächlich »etwas angetan« hätte, dann nur, weil ich Dich so vermisst habe. Aber das hätte unter Garantie mal wieder keiner kapiert...)
Lieber David!
Es ist etwas passiert. Diese Idioten da draußen haben vor über einer Stunde mit dem Knallen angefangen, und meine arme Tinka ist fast verrückt geworden vor Angst. (Obwohl es ihr elftes Silvester ist, will sie sich an das Gekrache einfach nicht gewöhnen. All die früheren Silvesterabende habe ich sie gestreichelt und an mich gedrückt, bis es vorbei war. Aber ich kann die wenigen Stunden, die mir von diesem Jahr noch bleiben, doch nicht mit der Nase in ihrem Fell verbringen!)
Deshalb habe ich ihr zwei von den Schlaftabletten gegeben, die ich damals in der Klinik heimlich gehortet habe. Ich habe mir wirklich keinen anderen Rat mehr gewusst. Zwei waren doch nicht zu viel, was meinst Du? Immerhin ist sie ein großer Hund, sie wiegt mindestens dreißig Kilo. Da können zwei Schlaftabletten doch nicht zu viel gewesen sein?
Jetzt liegt sie in der Küche und atmet ganz flach. Ich hoffe, dass sie mir nicht böse ist, wenn sie wieder aufwacht. Aber was hätte ich tun sollen? Es fällt mir schwer genug, mich bei dem Lärm da draußen zu konzentrieren, da kann ich nicht noch einen Hund brauchen, der wie ein Verrückter durch die Wohnung rennt und bellt. Und außerdem ist es ja auch für Tinka selbst besser, wenn ihr der Stress in den nächsten Stunden erspart bleibt. Denn wenn diese Spinner jetzt schon so knallen, obwohl noch über drei Stunden Zeit sind - was wird dann erst um Mitternacht los sein?
Lieber David, kannst du mir bitte sagen, dass zwei Schlaftabletten nicht zu viel waren?
So. Jetzt habe ich noch einmal nach ihr geschaut. Ich denke, es ist alles in Ordnung. Ich habe ihren Puls gezählt. Hundertzwanzig Schläge. Das ist ein bisschen zu viel und ihre Atmung ist auch etwas langsamer als sonst. Aber noch kein Grund zur Sorge.Vorsichtshalber werde ich alle zwanzig Minuten nach ihr gucken, und wenn ihr Puls weiter in die Höhe geht und ihre Atmung noch flacher wird, dann fahre ich sie in die Tierklinik. Das ist doch eine vernünftige
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