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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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zitterte, desto sicherer war ich, dass der Berliner Fahrradkurier jener Radfahrer gewesen sein muss, den Du am Col du Portillon in den Tod gedrängt hast.
     
     
    Ich höre Dich lachen. Abgefahren. Unsere Eins-Kommanull-Abifotze fängt an, Gespenster zu sehen ...
    Ich sehe keine Gespenster. Auf unserer ganzen Reise und auch danach nicht habe ich jemals geglaubt, Geneviève, Alessia und Gabriella, Hermana Lucía oder eins der Mädchen zu sehen, die Du anschließend noch getötet hast. Nur Fahrradkuriere und Männer auf Rennrädern lassen mich zusammenzucken.
    Ich weiß nicht, wie ich Dir beschreiben soll, was ich in solchen Momenten durchleide. Das Herzklopfen, wenn in meinem Blickfeld ein schmaler und dennoch muskulöser Rücken auftaucht, der sich in ein enges Trikot gehüllt über den Lenker krümmt. Das Herzrasen, wenn ich versuche, einen Blick in das Gesicht des Radfahrers zu erhaschen. Die Herzstiche, wenn ich glaube, Dich erkannt zu haben. Die Herzmüdigkeit, wenn mir klar wird, dass ich mich (wieder einmal...) getäuscht habe.
    Vielleicht hat mich der schwarze Fahrradkurier in Wahrheit gar nicht erschreckt, weil ich geglaubt habe, in ihm den toten Radfahrer vom Col du Portillon zu erkennen, sondern weil ich geglaubt habe, Dich zu sehen: Als fluchenden Tod auf zwei Rädern …
    Ich habe mich oft gefragt, ob die Dinge anders verlaufen wären, hätte der Parkhüter in der Camargue die Leichen von Alessia und Gabriella nicht so schnell entdeckt, und hätte es deshalb an jenem Montag noch keine Schlagzeilen gegeben, die uns zwangen, Frankreich auf dem schnellsten Weg zu verlassen. Ich weiß selbst, wie gern ich über dieses Land lästere, dass man es dort keine zehn Tage aushalten könne und so weiter. Dennoch kommt es mir im Rückblick so vor, als ob Frankreich unser Paradies gewesen wäre und unser ganzes Unglück erst in Spanien begonnen hätte.
    Jetzt, wo ohnehin alles zu spät ist, kann ich es Dir ja gestehen: Ich habe die zischende, ratternde Sprache auf Anhieb verabscheut , das fettige Essen konnte ich nicht ausstehen , und die Fahrzeuge der Guardia Civil , die überall herumfuhren, haben mich vor Angst halb wahnsinnig gemacht, auch wenn Du mich - zumindest an unserem ersten Tag in Spanien - noch beruhigen konntest, dass diese Fahrzeuge nichts mit uns zu tun hätten, sondern unterwegs seien, weil man der Waffenruhe der ETA nicht traue, jener Terrorgruppe, die für die Unabhängigkeit des benachbarten Baskenlandes kämpft - danke, jetzt weiß ich’s …
    Als wir in diesem ersten Ort (mein Atlas sagt, es war Vielha) Halt machten, habe ich das Schicksal angefleht , es möge die spanischen Zeitungen ebenso voll sein lassen mit Berichten über den »brutalen und obszönen Doppelmord« wie die französischen, sodass Dein Argument, in Spanien seien wir sicherer als in Frankreich, hinfällig würde. Und ich habe das Schicksal verflucht , als ich erkennen musste, dass die Spanier zu sehr mit ihren eigenen Geschichten beschäftigt waren (war es ein Bus, der irgendwo in die Luft geflogen ist?), als dass sie sich für zwei tote Italienerinnen in der Camargue interessiert hätten.
    Ich habe ja ernsthaft versucht, mich mit diesem Land, in dem Du die beste Zeit Deines Lebens verbracht haben willst, anzufreunden. Zum Beispiel indem ich mir Mühe gegeben habe, die verlogenen Steinhäuser mit den Schieferdächern, die taten, als wären sie so alt wie die Berge ringsherum, obwohl sie in Wahrheit höchstens so alt sein konnten wie ich, zu ignorieren und mich stattdessen auf meinen ersten Café con leche zu konzentrieren, der immerhin ganz lecker war. Aber in Wahrheit habe ich mich nach den Skistationen rund um den Tourmalet zurückgesehnt, weil diese wenigstens konsequent und ehrlich hässlich gewesen waren. Auf unserer anschließenden Fahrt die Südseite der Pyrenäen mit ihren weiten Tälern und Feldern entlang habe ich die schroffen Schluchten und Wasserfälle der französischen Nordseite vermisst und selbst dem Granit nachgetrauert, aus dem irgendein rötlich-violetter Fels geworden war, der in staubigen Klumpen auf die Straße bröckelte. Der Geruch, der das Mittelmeer ankündigte, hat mich für den Verlust des echten Gebirgsgeruchs ebenso wenig entschädigt, wie mich der Ginster, der rechts und links der Strecke blühte, aufzuheitern vermochte. Und den Nadelbäumen, die plötzlich aussahen, als ob auch sie nur auf der Durchreise wären und eigentlich ans Meer wollten, hätte ich am liebsten zugerufen: »Seid nicht dumm,

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