Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Mineralwasser. Ich sehe es vor mir: Wie Du plötzlich ganz still und abweisend wirst und Deine Finger zu der Flasche wandern und an dem hellblauen Etikett mit den gelb-roten Punkten herumzupfen. Wieso habe ich damals nicht kapiert, dass es nicht einfach eine nervöse Macke war?
Wenn ich mich richtig erinnere, hast Du mir den Namen Deines spanischen Teams nie verraten, sondern ich habe ihn erst aus den Medien erfahren. Dennoch verkrampft sich mein Herz, wenn ich daran denke, dass ich Dir eine so schlechte » novia « gewesen sein muss, dass Du mir die Ursache Deines Kummers nicht anvertrauen wolltest. (Und ich zu blöd war, von selbst darauf zu kommen... Vergiss bitte, was ich gestern über Dein Trikot gesagt habe! Ganz gleich, wie hellblau es ist - Du siehst darin nicht lächerlich aus!)
Kein Wunder, dass Du in jener Nacht nicht schlafen konntest und so schroff zu mir gewesen bist. Deine Gedanken waren bei Deinem früheren Leben! Du hast Dich gefragt, was aus Dir geworden wäre, hätte Dich Dein Knie nicht damals schon im Stich gelassen und hättest Du weiterhin in Deinem geliebten Mineralwasserteam fahren können. Du hast Dir vorgestellt, wie es wäre, wenn Du noch immer in einer kleinen Mittelalterwohnung mit dunkelgrünem Holzrollo vorm Fenster leben würdest. Wie es wäre, noch immer jeden Morgen Dein Rennrad zu schultern und die steilen Treppen erst im Haus, dann draußen hinunterzutragen, bis Du eine befahrbare Straße erreichen würdest. Wie es wäre, noch immer jeden Morgen aus der Stadt hinaus- und durch die Hügel zu radeln, bis in die Pyrenäen hinein oder am Meer entlang, und jeden Nachmittag spät in die Stadt zurückzukehren, Dein Fahrrad wieder zu schultern und es, ohne zu murren, die ganzen Treppenstufen, die Du es am Morgen hinuntergetragen hättest, wieder hinaufzutragen. Wie es wäre, allein zu duschen, die Beine zu rasieren, Dich massieren zu lassen und am Abend in dem kleinen Restaurant, das seine Tische so waghalsig nach draußen auf die Treppenstufen stellte, ein Bier zu trinken, Dich hungrig über Deine Ollada herzumachen und Dir anschließend noch ein zweites Bier zu gönnen. Wie es wäre, nicht unruhig neben mir zu liegen und alle Viertelstunde die Glockenschläge der Kathedrale zählen zu müssen, sondern längst zu schlafen, weil Du erschöpft, aber glücklich wärst.
Habe ich Deine Gedanken erraten? Wie traurig macht es mich, dass meine Gegenwart Dich damals nicht zu trösten vermocht hat, sondern dass sie Dir den Verlust Deines früheren Lebens offenbar noch schmerzlicher vor Augen geführt hat. Aber warum hast Du kein Wort zu mir gesagt! Ich wäre sofort aufgestanden, hätte mich draußen auf dem Balkon eingerollt und Dich mit Deiner Vergangenheit in Frieden gelassen.
Jetzt ist mir auch klar, warum Deine Stimmung am nächsten Morgen in Gerona noch schlechter gewesen ist als am Tag zuvor. Damals habe ich geglaubt, Dein alter Hotelkumpel hätte es verbockt, weil er Dich schon beim Frühstück mit seinem neuen Rennrad genervt hat. (Ich weiß ja nicht, was Du ihm bei unserer Ankunft erzählt hast - dass Du prinzipiell noch Rennen fahren würdest und jetzt bloß im Urlaub wärst? Solltest Du ihm allerdings doch die Wahrheit gesagt haben, war es in der Tat gedankenlos und grausam von ihm, Dich mit seinem Rennrad zu belästigen.)
Und ich habe vermutet, Du wärst wütend, weil die spanischen Zeitungen nichts über Dich berichteten, während Dich die französischen Zeitungen » Le boucher de la Camargue « getauft hatten und Du in Le Figaro außerdem lesen musstest, dass die Polizei eine erste heiße Spur verfolge, da Touristen die beiden italienischen Mädchen nur wenige Stunden vor ihrer Ermordung in Begleitung eines blonden Mannes und einer rotblonden Frau am Pont du Gard in einen braunen Ford mit belgischem Kennzeichen hätten steigen sehen …
Mein Ausraster, als mir klar wurde, dass die Jagd auf uns nun begonnen hatte, mag tatsächlich eine Rolle gespielt haben. Die größte Schuld trägt aber meine Unfähigkeit, Dich mit Deinem neuen Leben zu versöhnen.
Hätte ich diesen Hintergrund damals schon durchschaut, hätte ich nie und nimmer den albernen Streit über die spanischen Autobahngebühren vom Zaun gebrochen (obwohl es genervt hat , alle paar Kilometer an einer Peaje -Station zu halten und so geisteskranke Beträge wie 0.64 Euro zu zahlen...), sondern ich hätte die ganze Autopista del Mediterráneo hinunter stumm neben Dir gesessen und mir Mühe gegeben, eine
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