Maengelexemplar
für die Kinderbowle vorschlage, holt Max mich wieder runter. »Karo, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als einen Fünfjährigen mit einer Fahne, aber ich fürchte, dass das strafbar ist!«
»Bist du sicher?«, gebe ich nicht so schnell auf. »Ich spreche ja nicht von einem Long Island Iced Tea pro Nase, aber ein bisschen Sekt in der Bowle wäre sicher lustig. Ich habe als Kind auch immer heimlich das Bier von meinem Vater getrunken!«
Max rollt theatralisch die Augen und sagt sehr bestimmt: »Nein!«
Ich schmolle.
»Aber wir könnten die Getränke wie Cocktails und Schnaps aussehen lassen!«, schlägt er vor.
»Eigentlich brauchen wir nur die richtigen Gläser, und schon haben wir Traubensaft-Wein und Apfelsaft-Bier und Zitronenbrause-Schnaps!«
»Und die Erwachsenen müssen aus bunten Plastikbechern trinken!«, fordere ich.
»Natürlich!«, beruhigt mich Max.
»Und wird es Kaugummizigaretten geben?«, frage ich, noch ein winziges bisschen argwöhnisch.
»Natürlich, Karo! Was wäre denn eine Party ohne Kaugummizigaretten! Ich lege sogar noch Kokain auf Brausepulverbasis drauf!«
Max versteht was von Kindern, das muss man ihm echt lassen.
Und so arbeiten wir fast einen Monat zusammen und stellen eine, wie wir finden, top Kinderparty zusammen. Wir verbringen unsere Tage damit, den realistischsten Ersatz für echtes Blut zu finden und den Kindersender zu überzeugen, dass »Wer das längste Schimpfwort kann« nicht ein menschenverachtendes, sondern pädagogisch interessantes Spiel ist.
Der Kunde, dem wir wöchentlich Bericht erstatten müssen, ist größtenteils sehr zufrieden, nur das falsche Kokain findet er nicht so lustig. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass Max diesen Vorschlag gar nicht abgeben wollte, ich ihn aber heimlich in die Präsentation geschummelt habe. Und bei genauerer Betrachtung fand der Zuständige des Senders die Idee sogar sehr lustig, nur eben nicht so gut durchsetzbar.
Max und ich gehen gemeinsam Mittag essen, und manchmal trinken wir nach der Arbeit noch Getränke miteinander und sprechen über die Liebe. Max steht am traurigen und zähen Ende einer Beziehung. Er und seine Freundin streiten seit Monaten ständig, und die Phasen, in denen sie sich vertragen, sind nur noch Bruchteile der Zeit, in der beide streiten. Ich lächle in mich hinein und bin froh, das hinter mir zu haben. Ich weiß, wie schwer es ist, sich zu lösen. Wir ziehen jederzeit einen Schrecken ohne Ende dem Ende mit Schrecken vor. Wir alle haben Verlustängste. Also gebe ich Max gar nicht erst Tipps. Das Beste für ihn wäre, wenn sich seine Freundin trennen würde. Wenn er keine Wahl mehr hätte. Für mich hat das bestens funktioniert. Aber das sage ich ihm nicht. Ich verschweige ihm auch, dass er bis zur nächsten Liebe eine Übergangsfrau brauchen wird und dass er mindestens drei Monate fürchterlichen Liebeskummer haben wird. Es würde nichts ändern. Also wünsche ich ihm und seiner Freundin heimlich eine rasche und erlösende Trennung.
Nun erfüllt das überfleißige neue Jahr meine Wünsche schneller, als ich
aber pronto!
denken kann, und so kommt ein paar Tage später ein sehr geknickter Max in unser Büro. Er und sein Mädchen haben sich getrennt.
»Oh«, sage ich wortgewandt.
»Ja«, murmelt Max.
Ich fühle mich plötzlich mitschuldig: »Das tut mir leid. Wie geht es dir denn damit?«
»Keine Ahnung«, sagt Max. »Es ist definitiv die richtige Entscheidung, das wissen wir beide, aber es ist trotzdem traurig!«
Mein Herzschlag beschleunigt sich plötzlich. Das Thema rührt an mein eigenes Desaster mit Philipp und verursacht mir Phantomschmerzen. Ich kann jetzt leider keine gute Freundin sein und weiter nachhaken, also nicke ich einfach stumm, und wir arbeiten. Zum Glück müssen wir uns keine lustigen Spiele mehr ausdenken, sondern uns nur noch um Requisiten und Organisation kümmern. Zum Feierabend umarme ich Max feste. »Lass den Kopf nicht hängen. Vielleicht braucht ihr auch nur eine Pause. Manchmal rauft man sich wieder zusammen, wenn man erst mal merkt, was man verloren hat«, schlaumeiere ich. »Du kannst dich jederzeit melden, wenn du mit schmuddeligen Witzen abgelenkt werden möchtest!«
»Danke«, sagt Max. Er hat seine Körperspannung völlig verloren und schiebt seine schmalen Glieder in sein Auto.
Auf dem Heimweg zwinge ich mich zur Selbstanalyse. Auf der einen Seite zeigt mir Max’ Unglück, wie gut es mir selbst inzwischen geht. Diese Zufriedenheit
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