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Maengelexemplar

Titel: Maengelexemplar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kuttner
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denen des anderen erst recht nicht.
    Und mit der Zeit wird es unerträglich. Wir sind kaum noch in der Lage, miteinander essen zu gehen, ohne ein Minenfeld der Doppeldeutigkeiten zu betreten.
    Ich schäme mich für meine Feigheit. Ich möchte mich trauen, zu sagen: »Was ist das da mit uns beiden, Max? Verlieben wir uns grad ineinander?« Aber ich traue mich nicht. Was, wenn ich mir das nur einbilde? Aus lauter Sehnsucht nach einem Heim mir schon wieder von meinem Kopf vorspielen lasse, dass mir diese Wohnung gefällt? Was, wenn Max zurzeit gar nicht zu vermieten ist?
     
    Wie ein Teenager fange ich an, Pro- und Contra-Listen zu machen. Versuche, rational zu sein, wo es gilt, emotional zu sein. Wie kleine bunte Glitzerbildchen sammle ich, was ich an Max mag. Ich mag die Ruhe, die er ausstrahlt. Ich finde es sehr charmant, dass Max vor jedem Treffen sagt, dass er sich auf mich freut, und danach, dass er viel Spaß hatte. So was machen die Ritter von heute kaum noch. Max hat das schon getan, bevor es anders wurde mit uns.
    Wir mögen die gleichen Filme und die gleiche Musik.
    Reicht das schon?
    Zählt das überhaupt etwas? Ziehen sich Gegensätze an, oder gesellt sich gleich und gleich gern?
    Was zählt denn dann, bitteschön?
    Dass es in mir drin leise bimmelt, wenn wir uns sehen?
    Ja?
    Na, bitte sehr: Das tut es!
    Und es kitzelt. Fein und langsam. Das ist ungewohnt, denn ich habe eigentlich keine Zeit für fein und langsam.
    Und ich halte es für keine gute Idee, mich in Max zu verlieben.
     
    »Nelson, irgendwas passiert zwischen mir und Max!«
    »Und?«
    »Hast du nicht zugehört? Max! Der Max, mit dem ich zusammenarbeite!«
    »Schon klar. Aber das ist doch schön! Ihr versteht euch doch super.«
    »Ja, aber Max und ich sind wie Brüderlein und Schwesterlein!«
    »Karo, du und ich sind wie Brüderlein und Schwesterlein!« Ich kann durchs Telefon hören, dass Nelson ein bisschen eingeschnappt ist.
    »Jaja, aber auf jeden Fall fühlt es sich komisch an. Wie ... keine Ahnung ... Inzest!«, jammere ich.
    »Wo ist das Problem? Du findest Max toll und, soweit ich verstanden habe, er dich auch. Hau rein!«
    »Du machst dir das zu einfach, Nelson! Was, wenn ich mir alles nur einbilde? Dass es ihm wie mir geht? Schlimmstenfalls, dass es
mir
überhaupt so geht?«
    »Wieso solltest du dir das einbilden?«
    »Keine Ahnung.«
    »Siehste!«
    »Außerdem ist er grade erst aus einer Beziehung raus, da kann er doch nicht sofort in die nächste stolpern!«
    »Weshalb nicht?«
    Ich frage mich, ob Nelson versucht, der gute oder der schlechte Cop zu sein. Ich jedenfalls bin langsam der genervte Cop! »Nelson, so was geht nie gut! Er braucht erst eine Übergangsfrau! Und ich will keine Übergangsfrau sein, ich bin ein Hauptgewinn!«
    »Jetzt hör mir mal gut zu, Karo. Was du grade erzählst, ist ein Haufen Mist! Erstens: Beziehungen mit nahtlosem Übergang sind vielleicht selten, aber es gibt sie. Zweitens: Deine Theorie von der Übergangsfrau ist unbelegter esoterischer Durchfall. Drittens: Du bist kein Hauptgewinn. Du bist ein Mängelexemplar. Ein zauberhaftes und liebenswertes Mängelexemplar, und wenn da draußen jemand ist, der das sehen kann, dann ist
er
ein Hauptgewinn, also was stiehlst du meine Zeit mit doofer Selbstgeißelung? Schnapp dir den Typen und hör auf zu jammern!«
    »Nelson?«
    »Ja?«
    »Aus welchem Film hast du das abgeschrieben?«
    »Ach, du bist zum Kotzen!«
    Wir lachen beide, und ich sage brav danke für die Kopfwaschung und lege auf.
    Soso, rangehen also. Den Sack zumachen. Alles auf Rot. Ganz oder gar nicht. Nur die Harten ... Ach, nun reicht es aber.

Max und ich sitzen in der Hüpfburg und rauchen. Also ich rauche, und Max macht sich Sorgen, dass unsere Sitzgelegenheit deshalb platzen könnte. Es ist kurz vor Mitternacht, und die Party ist fast vorbei. Kinder und Eltern sind zumindest schon weg, jetzt stehen nur noch beanzugte Senderchefs und Marketingleiter und Head-ofs zwischen den einzelnen Spielstationen und klopfen sich bei einer Zigarre auf die Schulterpolster. Schade, dass auch hinter etwas so Reizendem wie Kinderfernsehen immer nur die gleichen alten Säcke stecken. Zumindest müssen sie aus bunten Plastikbechern trinken, da haben wir uns durchgesetzt! Max und ich haben jedes unserer Spiele zuerst getestet und später noch mehrfach durchgespielt. Wir haben, den Mund voller Kakaopulver, versucht, Sätze zu sprechen und zu raten, wir waren eine Rockband, und wir haben den Lukas angeschrien. Wir haben

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