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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Zimmer in einem trostlosen Ramada Inn am Flughafen JFK zurück. Fernsehen war erlaubt – anscheinend war der Prozess zu unbedeutend für die Nachrichtensendungen –, aber wir durften nicht telefonieren und außerhalb der offiziellen Beratungen im Juryzimmer nicht miteinander über den Fall sprechen.
    Deshalb war ich verblüfft, als mein Telefon klingelte. Ich fragte mich, wer das sein konnte, und hoffte insgeheim, es wäre Leo. Vielleicht hatte er sich meine Zimmernummer gemerkt, als wir von unserem vom Gerichtsdiener beaufsichtigten Abendessen zurückgekommen waren. Nervös nahm ich den Hörer ab und flüsterte: «Hallo.»
    Leo sprach leise. Als könnte es da eine Verwechslung geben, sagte er: «Hier ist der Geschworene Nummer neun. Leo.»
    «Ich weiß», sagte ich und spürte, wie das Blut mir aus dem Kopf in die Füße rauschte.
    «Schauen Sie», sagte er (nach der dreitägigen Beratung wusste ich, dass er seine Sätze immer mir «Schauen Sie» anfing, eine Schrulle, die ich entzückend fand), «ich weiß, ich darf Sie nicht anrufen … Aber ich werde hier verrückt …»
    Ich wusste nicht, was er damit sagen wollte – wurde er verrückt wegen der Isolation, oder wurde er verrückt, weil er in mich verknallt war? Vermutlich war Ersteres der Fall. Das Zweite wäre so unglaublich schön, dass es unmöglich war.
    «Ja. Ich weiß, was Sie meinen.» Ich bemühte mich, gelassen zu klingen. «Die Aussagen gehen mir einfach nicht aus dem Kopf. Es ist so frustrierend.»
    Leo atmete hörbar aus und sagte nach längerem Schweigen: «Ich meine, wie beschissen ist es, wenn ein Dutzend Schwachköpfe über dein Schicksal entscheidet?»
    «Ein Dutzend Schwachköpfe?» Ich wollte amüsant und cool sein. «Sprechen Sie für sich selbst, Kollege.»
    Leo lachte, und ich lag in meinem Bett und vibrierte vor Aufregung.
    Dann sagte er: «Okay, zehn Schwachköpfe. Acht auf jeden Fall, das steht fest.»
    «Ja», sagte ich. «Ich weiß.»
    «Ich meine, mal ernsthaft», fuhr er fort. «Ist das denn zu fassen mit diesen Leuten? Die Hälfte von denen ist für gar nichts offen, und die andere Hälfte besteht aus Halbidioten, die so wischiwaschi sind, dass sie jederzeit nachplappern, was ihre Kollegen beim Lunch gerade erzählen.»
    «Ich weiß.» Mir war schwindelig. Ich konnte nicht fassen, dass wir endlich wirklich miteinander redeten. Und noch dazu, während ich im Dunkeln unter meiner Bettdecke lag. Ich schloss die Augen und sah ihn vor mir, in seinem eigenen Bett. Unglaublich, wie sehr ich einen buchstäblich Fremden begehren konnte.
    «Ich habe noch nie darüber nachgedacht», sagte Leo. «Aber wenn ich vor Gericht stände, hätte ich es lieber mit einem Richter als mit einer Jury zu tun.»
    Da wäre ich möglicherweise seiner Meinung, sagte ich.
    «Verdammt. Lieber hätte ich einen korrupten Richter, der sich von meinen Gegnern schmieren lässt, als diese Loser-Truppe.»
    Ich lachte, als er anfing, sich über ein paar der besonders abseitigen Anekdoten lustig zu machen, die ein paar der Geschworenen zum Besten gegeben hatten. Er hatte recht. Immer wieder kamen wir in der bedrückenden Enge des Juryzimmers vom Thema ab – ein chaotischer Austausch von Lebenserfahrungen ohne jede Relevanz für die Beratung.
    «Manche Leute hören sich einfach gern reden», sagte ich. Und dann fügte ich hinzu: «Aber zu denen gehören Sie anscheinend nicht, Mr.   Ungesellig.»
    «Ich bin nicht ungesellig», widersprach Leo wenig überzeugend.
    «Doch, das sind Sie», sagte ich. «Mr.   Kopfhörer. Die tragen Sie dauernd, damit Sie mit niemandem sprechen müssen.»
    «Ich spreche doch jetzt mit Ihnen», sagte Leo.
    «Das wurde auch Zeit.» Es war leicht, so mutig zu sein, dachte ich – im Dunkeln am Telefon.
    Das lange Schweigen, das jetzt folgte, fühlte sich warm und verboten an. Dann sprach ich eine Binsenweisheit aus: Wir würden gewaltigen Ärger bekommen, wenn Chester, der Justizwachtmeister, der uns den Babysitter machte, uns dabei erwischte, dass wir miteinander telefonierten. Und dabei auch noch über den Fall redeten.
    «Ja, das stimmt», sagte Leo. Und dann fuhr er langsam und bedächtig fort: «Und vermutlich bekämen wir noch größere Schwierigkeiten, wenn ich Sie jetzt besuchte, oder?»
    «Wie bitte?» Ich hatte ihn genau verstanden, laut und deutlich.
    «Kann ich zu Ihnen kommen?» Das klang vielsagend.
    Ich richtete mich abrupt auf und strich die Decke um mich herum glatt. «Was ist denn mit Chester?», fragte ich und bekam einen

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