Maenner fuers Leben
Schwächeanfall von der guten Sorte.
«Der ist im Bett. Auf dem Flur ist niemand. Ich hab schon nachgesehen.»
«Wirklich?» Etwas anderes fiel mir nicht ein.
«Ja. Wirklich. Also …?»
«Also?», wiederholte ich.
«Kann ich also rüberkommen? Ich will nur … reden. Allein.»
Ich glaubte ihm nicht, dass das alles war, was er wollte – und hoffte es auch. Ich dachte an die Scherereien, die wir bekommen würden, wenn man uns dabei erwischte, dass wir uns während des Geschworenen-Dienstes nächtliche Besuche abstatteten. Ich wusste, wir waren es dem Angeklagten schuldig, uns an die Vorschriften zu halten, und unser leichtsinniges Verhalten konnte dazu führen, dass der Prozess scheiterte. Ich dachte daran, wie unsexy mein «Steelers»-T-Shirt und meine Baumwollunterhose waren und dass ich nichts Hübscheres in meiner hastig gepackten Reisetasche hatte. Ich dachte an die Weisheit, die jedes Mädchen kennt: Wenn ich jetzt ja sagte – und wenn dann doch etwas passierte –, würde Leo den Respekt vor mir verlieren, und es wäre vorbei, bevor es angefangen hätte.
Also öffnete ich den Mund, um ihm eine ausweichende Antwort zu geben. Aber stattdessen hauchte ich ein hilfloses «Ja» ins Telefon. Zum ersten Mal war passiert, was noch oft passieren sollte: Ich konnte bei Leo nicht nein sagen.
Fünf
Es ist völlig dunkel geworden, als ich in unsere stille, baumgesäumte Straße in Murray Hill einbiege. Andy wird noch lange nicht nach Hause kommen, aber ausnahmsweise macht es mir nichts aus, dass er in seiner noblen Anwaltsfirma so viele Überstunden machen muss. So habe ich Zeit, zu duschen, ein paar Kerzen anzuzünden, eine Flasche Wein aufzumachen und genau die richtige Musik zu finden, die die Erinnerungen aus meinem Kopf vertreiben wird – etwas Fröhliches, das absolut nichts mit Leo zu tun hat. «Dancing Queen» wäre das Passende, denke ich und muss lächeln. Bei Abba erinnert mich wirklich kein bisschen an Leo. Jedenfalls will ich, dass es heute Abend um Andy und mich geht. Um uns .
Als ich aus dem kalten Regen in unser Brownstone-Haus trete, atme ich erleichtert auf. Das Haus hat nichts Luxuriöses, aber gerade deshalb gefällt es mir so gut. Mir gefällt der schäbige Eingangsflur mit dem knarrenden Parkettboden und dem Messingleuchter, der dringend poliert werden müsste. Mir gefällt der juwelfarbene Orientteppich, der schwach nach Mottenkugeln duftet. Mir gefällt sogar der rumpelnde, beklemmend enge Aufzug, der immer kurz davor ist, kaputtzugehen. Aber vor allem gefällt mir, dass es unser erstes gemeinsames Zuhause ist.
Heute Abend ziehe ich die Treppe vor; ich nehme immer zwei Stufen auf einmal und stelle mir vor, wie Andy und ich eines Tages in ferner Zukunft mit unseren jetzt noch nicht geborenen Kindern hierher zurückkommen und mit ihnen einen großen Rundgang veranstalten, um ihnen zu zeigen, «wo Mommy und Daddy am Anfang gewohnt haben». Wie ich ihnen erzähle: «Ja, mit dem Geld von Daddys Familie hätten wir uns eine Wohnung in einem vornehmen Gebäude mit Portier an der Upper East Side leisten können, aber er hat das hier ausgesucht, in dieser ruhigen Gegend, weil es mehr Charakter hatte … genau wie er mich genommen hat, statt eine von diesen blauäugigen Südstaaten-Schönheiten zu nehmen.»
Als ich im dritten Stock angekommen bin, suche ich meinen Schlüssel heraus, und als ich ihn im Schloss umdrehe, stelle ich fest, dass Andy schon zu Hause ist. Das ist tatsächlich das erste Mal. Mit einer Mischung aus Schuldbewusstsein und Scham öffne ich die Tür und werfe einen Blick durch die offene Einbauküche ins Wohnzimmer. Mein Mann liegt ausgestreckt auf dem Sofa und hat das orangegelbe Chenille-Kissen unter dem Kopf. Jackett und Krawatte hat er schon auf den Boden verbannt, und sein Hemdkragen ist aufgeknöpft. Zuerst denke ich, er schläft, aber dann sehe ich, dass der eine seiner bloßen Füße im Takt zu Ani DeFrancos As Is wippt. Das ist meine CD – und so weit entfernt von Andys üblichen, fröhlichen Top-Forty-Stücken (und seiner rührseligen Country Music), dass ich annehme, unsere Stereo-Anlage ist auf Random Play eingestellt. Andy geniert sich nicht für seinen Musikgeschmack, und wenn ich meine Lieblingsplatten höre – zum Beispiel von Elliott Smith und Marianne Faithfull –, verdreht er die Augen bei den turbulenteren Texten und macht Bemerkungen wie «Entschuldige, wenn ich mich kurz unter die Spüle lege und den Abflussreiniger austrinke». Aber trotz
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