Maenner fuers Leben
unseres unterschiedlichen Geschmacks will er nie, dass ich meine Musik ausschalte oder leiser stelle. Andy ist das Gegenteil von einem Kontrollfreak: ein Manhattaner Anwalt mit der unbekümmerten Leben-und-Leben-lassen-Mentalität eines Surfer Boys.
Eine ganze Weile schaue ich Andy an, wie er da im weichen, bernsteinfarbenen Lampenlicht liegt, und was mich dabei erfüllt, kann ich nur als Erleichterung bezeichnen. Erleichterung, weil ich wieder hier bin, weil dies mein Leben ist. Ich gehe ein paar Schritte auf die Couch zu, und Andy macht die Augen auf. Er streckt sich, lächelt und sagt: «Hey, Honey.»
«Hi», sage ich und strahle ihn an, und dabei lasse ich meine Tasche auf unseren runden Esstisch fallen, ein Retro-Möbel, das wir auf einem Flohmarkt in Chelsea gefunden haben. Margot und ihre Mutter hassen ihn fast so sehr wie den kitschigen Nippes, der auf jeder freien Fläche des Apartments versammelt ist: Ein Kokosnuss-Affe mit einer Drahtbrille hockt auf unserem Fenstersims. Eine Perlenkette vom Mardi Gras ist über unseren Computermonitor drapiert. Eine Parade von Salz-und-Pfeffer-Figürchen marschiert über die Theke in unserer Küche. Ich bin sehr viel ordentlicher und besser organisiert als Andy, aber im Grunde unseres Herzens sind wir beide sammelwütig wie die Eichhörnchen – und das, behauptet Margot scherzhaft, ist das einzig Gefährliche an unserem Zusammenleben.
Andy richtet sich seufzend auf und schwingt die langen Beine vom Sofa. Dann sieht er auf die Uhr und sagt: «Du rufst nicht an. Du schreibst nicht. Wo warst du den ganzen Tag? Ich hab’s ein paarmal auf deinem Handy versucht …»
Sein Ton ist entspannt – und überhaupt nicht vorwurfsvoll –, und trotzdem bekomme ich Gewissensbisse, als ich sage: «Hier und da. Bin im Regen herumgelaufen. Mein Telefon war abgeschaltet.»
Lauter wahre Aussagen , denke ich. Trotzdem weiß ich, dass ich meinem Mann etwas verschweige, und flüchtig denke ich daran, mein Schweigegelübde zu revidieren und ihm zu erzählen, was heute wirklich passiert ist. Er würde sich ganz sicher darüber ärgern – und wahrscheinlich auch ein bisschen gekränkt sein, weil ich zugelassen habe, dass Leo zu mir ins Restaurant kam. Ich würde das Gleiche empfinden, wenn Andy mit einer Ex-Freundin Kaffee getrunken hätte, obwohl er ihr hätte sagen können, dass er sie nicht sehen will. Die Wahrheit könnte sogar einen kleinen Ehestreit auslösen – unseren ersten Ehestreit.
Andererseits ist es ja nicht so, dass Andy sich durch Leo bedroht fühlte oder feindselig gegen ihn wäre. Er verachtet ihn nur – auf die typische, beiläufige Art, wie fast jeder den bedeutendsten Ex seines Partners verachtet: mit einer harmlosen Mischung aus Eifersucht und Rivalität, die im Laufe der Zeit verschwindet. Tatsächlich ist Andy so entspannt, dass er wahrscheinlich weder das eine noch das andere empfinden würde, wenn ich nicht den Fehler begangen hätte, ihm zu Beginn unserer Beziehung während unserer spätabendlichen Gespräche ein bisschen zu viel über Leo zu offenbaren. Konkreter gesagt, ich habe das Wort «intensiv» benutzt, um zu beschreiben, was Leo und ich miteinander erlebt hatten. Das war sicher nichts Neues für Andy, schließlich hatte Margot ihm das eine oder andere über Leo und mich erzählt, aber ich wusste sofort, dass Andy nicht gerade erfreut war, denn er hatte sich im Bett zu mir umgedreht, und seine blauen Augen blitzten auf eine Weise, wie ich es noch nie gesehen hatte.
«Intensiv?», wiederholte er gekränkt. «Was genau meinst du mit ‹intensiv›?»
«Ach, ich weiß nicht …», sagte ich.
«Sexuell intensiv?»
«Nein», sagte ich hastig. «So war das nicht gemeint.»
«Oder dass ihr eure ganze Zeit miteinander verbracht habt? Jede Nacht und jeden wachen Augenblick?»
«Nein», sagte ich noch einmal. Mein Gesicht glühte vor Scham, als ich mich daran erinnerte, wie Margot mir vorgeworfen hatte, ich vernachlässigte sie wegen Leo. Ich sei eins von den Mädels, die einem Mann den Vorrang vor ihren Freundschaften geben. Noch dazu einem unzuverlässigen Mann, den man noch nicht einmal heiraten kann , fügte sie verächtlich hinzu. Schon da wusste ich tief in meinem Innern, dass sie recht hatte, aber trotz meines Schuldbewusstseins und wider besseres Wissen konnte ich einfach nicht anders. Wenn Leo mich sehen wollte, ließ ich alles – und jeden – stehen und liegen.
«Was dann?» Andy ließ nicht locker. «Du hast ihn geliebt bis zum
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