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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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Hinderungsgrund war.
    Später würde Leo mir erzählen, ich hätte verwirrt ausgesehen, was ich vehement abstritt; ich behauptete entschieden, ich hätte ihn kaum bemerkt. So oder so, wir waren uns einig, dass wir beide von diesem Augenblick an fanden, Geschworenen-Dienst sei doch kein ganz so großer Mist.
    Während der nächsten Stunde nahm ich auch die kleinste seiner Bewegungen wahr. Ich sah zu, wie er sich streckte und gähnte. Ich sah zu, wie er seine Zeitung zusammenfaltete und unter dem Stuhl verstaute. Ich sah zu, wie er hinausschlenderte und mit einer Packung Erdnussbutter-Cracker zurückkam, die er ganz unverhohlen aß, obwohl überall im Raum Schilder hingen, die das Essen und Trinken verboten. Er erwiderte meine Blicke nicht ein einziges Mal, aber ich hatte das Gefühl, er merkte, dass ich ihn beobachtete, und das verursachte in mir ein seltsames Kribbeln. Ich dachte keinen Augenblick lang an etwas so Verrücktes wie «Liebe auf den ersten Blick»– daran glaubte ich nicht –, aber ich wusste, dass ich auf eine unerklärliche und nie dagewesene Weise fasziniert war.
    Und dann gewährte mir die gute Gerichts-Fee meinen Wunsch. Unsere Namen wurden mit einer Reihe anderer Namen zusammen aufgerufen, und wir saßen plötzlich Seite an Seite auf einer Geschworenenbank, nur eine Handbreit voneinander entfernt. Der kleine Gerichtssaal hatte nichts Prachtvolles oder Goldgerändertes an sich, nichts, was an eine Filmkulisse erinnert hätte, aber ich hatte doch das Gefühl, dass sich hier etwas Ernstes und Bedeutendes entwickeln würde. Aus dem Augenwinkel sah ich die blauen Adern auf seinem kräftigen Unterarm, und verblüfft empfand ich ein flatterndes Verlangen, das mich an meine Highschool-Schwärmerei für Matt erinnerte, an meine Euphorie, als er eines Morgens in unserer miefigen Aula neben mir gesessen hatte, in einem öden Vortrag über all die vielfältigen Möglichkeiten, wie Drogen unser Leben zerstören können. Ich erinnerte mich, wie mir Matts literweise aufgesprühtes Aramis-Eau-de-Cologne in die Nase stieg (das ich noch heute im Gedränge herausriechen kann) und wie ich über seine witzigen Bemerkungen lachte, als er aufzählte, auf wie viele verschiedene Arten Marihuana unser Leben in Wirklichkeit verbessern könne. Wenn ich es mir recht überlegte, erschien Leo mir überhaupt wie eine ältere Version von Matt, was mich zu der Frage brachte, ob ich nicht doch einen bestimmten Typ bevorzugte, auch wenn ich Margot gegenüber immer das Gegenteil beteuerte. Wenn ja, dann entsprach er diesem Typ genau. Und während ich diese Feststellung traf, richtete der Staatsanwalt seine Aufmerksamkeit auf Leo und begann mit falscher Fröhlichkeit: «Geschworener Nummer neun. Guten Morgen.»
    Leo nickte reserviert, aber respektvoll.
    «Wo wohnen Sie, Sir?», fragte der Staatsanwalt.
    Ich richtete mich kerzengerade auf und hoffte, seine Stimme möge seinem Aussehen gerecht werden. Es gibt bei einem Mann nichts Schlimmeres als eine hohe, dünne Stimme – dicht gefolgt von zierlichen Handgelenken, hängenden Schultern und einem schlaffen Händedruck.
    Natürlich enttäuschte Leo mich nicht. Er räusperte sich, und dann hörte ich seine dunkle, selbstsichere Stimme mit dem New Yorker Akzent. «Morningside Heights», antwortete er.
    «Sind Sie dort aufgewachsen?»
    «Nein, ich bin aus Astoria», sagte Leo. «Da geboren und aufgewachsen.»
    Ja! Queens! , dachte ich, als hätte ich mich bereits in die äußeren Stadtteile verliebt. Vielleicht, weil sie mich an zu Hause erinnerten: Arbeitergegenden. Vielleicht, weil meine Fotos, die ich abseits des New Yorker Reichtums machte, immer die überzeugenderen waren.
    Der Staatsanwalt fuhr fort und fragte Leo, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, während ich dachte, Voir Dire sei besser als ein erstes Date. Jemand anderes stellte die Fragen, und ich durfte zuhören. Und er musste die Wahrheit sagen. Super.
    «Ich bin Autor … Reporter», sagte Leo. «Ich schreibe hier und da für eine kleine Zeitung.»
    Super , dachte ich noch einmal. Ich stellte mir vor, wie er mit seinem Spiralblock durch die Straßen streifte und am helllichten Nachmittag in dunklen Bars alte Männer ansprach und dann einen Artikel darüber schrieb, wie die Stadt ihren toughen Charakter verloren hatte.
    So ging es die nächsten Minuten weiter: Ich war hingerissen von Leos Antworten – nicht nur wegen des Inhalts, sondern mir gefiel auch die Art, wie er sprach, so cool und trotzdem lebhaft. Ich

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