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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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geeignet als die von mir favorisierten Mehlwürmer. Gleich nachdem wir das Wohnzimmer betreten hatten, war er auf Erika losgestürmt und hatte sie schwanzwedelnd begrüßt. Wie eine Katze strich er nun um ihre beige bestrumpften Beine herum, was jedoch auf wenig Gegenliebe stieß.
    »Könnten Sie bitte Ihren Hund hier wegholen?« Sie schob den kleinen Welpen mit dem Fuß unsanft zur Seite. Mit eingezogenem Schwanz verkrümelte Ernie sich unter den Tisch.
    »Er ist nicht mein Hund«, erklärte ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Warum wollte mir eigentlich alle Welt einen Hund anhängen?!
    »Wessen Hund soll es denn sonst sein?«, fauchte Erika ärgerlich, was Ernie mit einem leisen Knurren quittierte. Nun hatte wohl auch er begriffen, wer hier Freund und wer Feind war.
    »Daniel hat ihn den Kindern geschenkt.«
    »Wie bitte? Mein Schwiegersohn hat den Kindern einen Hund gekauft?! Ohne an meine Tierhaarallergie zu denken?«
    Vielleicht gerade deshalb, hätte ich fast erwidert, konnte mich aber gerade noch im letzten Moment beherrschen. Ich an Daniels Stelle hätte mir zur Not sogar einen Alligator oder eine Vogelspinne ins Haus geholt, um mir diese unangenehme Person vom Hals zu halten.
    »Er wollte die Jungs wohl trösten«, erklärte ich, mühsam um Freundlichkeit bemüht, »jetzt, da Nina für eine Weile weg ist.«
    »Trösten?« Erika kräuselte ironisch die Oberlippe. »Warum trösten? Christopher, Finn und Lukas konnten es doch kaum erwarten, dass Katharina endlich von hier verschwindet. Sie haben sich wirklich alle Mühe gegeben, Ihre Schwester zu vergraulen.«
    Alarmiert hob ich den Kopf. »Vergraulen? Wieso vergraulen? Ich dachte, Nina und die Jungs würden gut miteinander zurechtkommen.«
    »Anfangs ja«, gab Erika, die nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte, endlich aus dem Nähkästchen zu plaudern, mir äußerst bereitwillig Auskunft, »aber die Jungs sind schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Nach der Hochzeit haben sie rasch gemerkt, dass Ninas freundliches Getue nur gespielt war, um von ihren wahren Absichten abzulenken.«
    Ich verstand nur Bahnhof. »Und was für Absichten sind das Ihrer Meinung nach?«
    »In Wirklichkeit hat Nina doch überhaupt kein Interesse an den Kindern. Sie wollte Daniel ganz für sich allein haben. Da sind Christopher und die Zwillinge verständlicherweise auf die Barrikaden gegangen.«
    Plötzlich begann der Vorhang zu rascheln und kurz darauf sogar zu sprechen. »Die Buben haben die Treppe mit Schmierseife eingerieben, Katharina Essig in die Shampooflasche gefüllt und ihr die Schnürsenkel stibitzt. Außerdem haben sie ...«
    »... außerdem haben sie Katharinas Nachthemd mit Juckpulver präpariert«, fiel Erika ihrem Mann ins Wort.
    Genau wie kurz zuvor Ernie zog auch Friedhelm den Schwanz ein und hüllte sich wieder in Schweigen. Erika war deutlich anzusehen, dass sie vor Stolz über den Einfallsreichtum ihrer Enkel schier platzte. Ich fragte mich, ob sie wohl genauso begeistert wäre, wenn die Jungs sich ihr Nachthemd vorknöpfen würden. Meinen Segen hatten sie! Wie kam Erika bloß dazu, so einen Blödsinn von sich zu geben? Meine Schwester liebte Kinder, und obwohl es nicht ihre eigenen waren, hatte sie Christopher, Lukas und Finn von Anfang an ins Herz geschlossen. Für die blöden Scherze musste es eine andere, vermutlich ganz harmlose Erklärung geben. Ich traute den kleinen Rabauken durchaus zu, allerhand Unfug auszuhecken, und vielleicht waren sie dabei ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, aber dass sie Nina vergraulen wollten, hielt ich für völlig ausgeschlossen. Dafür hingen die Jungs viel zu sehr an meiner Schwester. Auch wenn Ernie vorübergehend für Ablenkung gesorgt hatte, fragten die Kinder fast täglich nach ihr. Erika musste sich irren. Juckpulver, Schmierseife, Essig – das waren doch alles Dummejungenstreiche, mit denen die Kinder ihre Grenzen ausloten und Nina auf die Probe stellen wollten, nichts weiter. Fassungslos über Erikas Unterstellungen schüttelte ich den Kopf.
    »Unglaublich, nicht wahr?«, fühlte Erika, die mein Kopfschütteln offenbar falsch interpretiert hatte, sich zum Weiterreden animiert. »Lässt den armen Daniel einfach von heute auf morgen mit drei kleinen Kindern sitzen. Wenn Friedhelm und ich gewusst hätten, was hier vor sich geht, wären wir natürlich schon viel früher aus dem Urlaub zurückgekommen, um zu helfen. Seit Kerstins Tod scheint Daniel das Pech geradezu magisch anzuziehen.« Sie seufzte.

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