Maenner in Freilandhaltung
gekümmert haben. Aber wie Sie sehen, wird Ihre Hilfe jetzt nicht mehr benötigt.«
»Meinen Sie nicht, das sollte Daniel entscheiden?«
»Ich glaube nicht, dass wir ihn mit solchen Lappalien belästigen sollten. Der arme Kerl hat schon genug am Hals.« Erika stellte die Obstschale auf die Küchenanrichte. »Wir sind die Großeltern der Kinder, da ist es doch wohl selbstverständlich, dass wir uns um Christopher und die Zwillinge kümmern, wenn Not am Mann ist. Schließlich haben wir das auch getan, bevor Ihre Schwester hier aufgetaucht ist und alles durcheinandergebracht hat.«
» Ich kümmere mich um die Kinder und den Haushalt, solange meine Schwester nicht da ist.«
»Um den Haushalt, soso.« Erika stellte sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit dem Zeigefinger über die Dunstabzugshaube. Anklagend hielt sie mir ihre mit Fett besudelte Fingerspitze unter die Nase. »Das nennen Sie sich um den Haushalt kümmern? Hier müsste dringend mal wieder geputzt werden.«
»Bitte! Tun Sie sich keinen Zwang an.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich gegen den Kühlschrank. »Da Sie sich hier so gut auskennen, wissen Sie sicher, wo sich der Putzschrank befindet.«
Erika wurde krebsrot. »So eine Frechheit müssen wir uns nicht bieten lassen! Friedhelm, komm.« Im Gegensatz zu Ernie gehorchte Friedhelm auch ohne Leckerli aufs Wort. »Wir gehen.«
»Eine hervorragende Idee«, bekräftige ich sie in ihrem Vorhaben. Nicht, dass sie es sich womöglich noch anders überlegte! »Da Sie allein reingekommen sind, finden Sie bestimmt auch ohne meine Hilfe wieder raus.«
Ich atmete tief durch. Fürs Erste war ich Daniels Schwiegereltern los! Natürlich tat es mir leid, dass Erika und Friedhelm ihre Tochter verloren hatten. Aber das gab ihnen noch lange nicht das Recht, einfach so in Daniels Haus zu platzen und über Nina herzuziehen. Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Was für eine bodenlose Unverschämtheit!
So oder so ähnlich formulierte es auch Daniel, als er an diesem Abend aus dem Büro heimkehrte. »Wie kommst du dazu, meine Schwiegereltern dermaßen zu beleidigen?«, herrschte er mich an, nachdem er die Kinder nach einer kurzen Begrüßung zum Spielen auf ihre Zimmer geschickt hatte. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten gefährlich.
Mir blieb vor Staunen fast der Mund offen stehen. »Keine Ahnung, was dir diese Leute erzählt haben. Aber offenbar leiden sie an Realitätsverlust. Nicht ich war es, der sie beleidigt hat, sondern umgekehrt. Außerdem haben sie über Nina hergezogen.«
»Meine Güte, Louisa, versetz dich doch mal in ihre Lage. Sie haben ihre Tochter verloren. Sie sind verzweifelt. Was erwartest du von ihnen?«
»Dass sie sich wie halbwegs zivilisierte Menschen benehmen, weiter nichts. Außerdem ist Kerstin ja nicht erst gestern gestorben.« Mir war klar, dass der letzte Satz in Daniels Ohren ziemlich herzlos geklungen haben musste. Andererseits wusste ich schließlich, wovon ich sprach. Nina und ich hatten unsere Mutter verloren, als wir fast noch Kinder gewesen waren! So weh ein solcher Verlust auch tat – das Leben musste irgendwie weitergehen. Und Trauer und Schmerz waren keine Entschuldigung dafür, andere Menschen zu beleidigen.
»Erika und Friedhelm gehören zur Familie«, sagte Daniel, nun schon etwas ruhiger. »Sie haben es verdient, mit Respekt behandelt zu werden. Ruf sie bitte morgen an und entschuldige dich bei ihnen.«
»Nein.« Nachdrücklich schüttelte ich den Kopf. »Ich denke ja überhaupt nicht daran.«
Die Augen meines Schwagers schienen Blitze zu versprühen. »Dann erkläre ich unsere Probezeit hiermit für beendet! Lass es mich wissen, wann ich dich zum Bahnhof fahren soll.«
Wütend stapfte Daniel aus dem Raum und schlug laut krachend die Tür hinter sich zu.
Kapitel 6
Obwohl die Sonne am nächsten Morgen mit aller Kraft vom wolkenlosen Himmel herabstrahlte, war die Stimmung am Frühstückstisch frostig. Kam es mir nur so vor, oder kühlte sogar der Kaffee schneller aus als gewöhnlich? Daniel und ich redeten nur das Nötigste miteinander und vermieden es, uns dabei in die Augen zu sehen. Die Jungs, die natürlich spürten, dass der Haussegen schiefhing, benahmen sich geradezu mustergültig. Niemand zankte, niemand kleckerte, niemand maulte oder bummelte ... Schrecklich! Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass ein paar Cornflakes, Fäuste oder Schimpfwörter durch die Luft fliegen würden, denn diese bleierne Stille
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