Maenner in Freilandhaltung
»Aber uns trifft keine Schuld an diesem furchtbaren Schlamassel. Wir müssen uns keine Vorwürfe machen. Wir haben Daniel gewarnt. Wir wussten, dass die Sache mit Katharina nicht gut gehen kann. Nicht wahr, Friedhelm?«
Friedhelm nickte. »Wir haben es gleich gewusst«, murmelte er düster.
Sein Kommentar hätte wunderbar in eine dieser schmuddligen, sensationslüsternen TV-Reportagen hineingepasst, in denen die befragten Nachbarn das Unglück, gleich welcher Art es auch sein mochte, natürlich von Anfang an hatten kommen sehen ... Wenn das Ehepaar Schubert so weitermachte, würde hier gleich auch ein Unglück geschehen! Es fehlte nicht viel, und ich wäre mit dem Regenschirm Amok gelaufen ...
Erika kam nun richtig in Fahrt. Mit vor Aufregung geröteten Wangen redete sie sich immer weiter in Rage. »Gleich nachdem Daniel uns erzählt hat, dass er diese Frau heiraten will, haben wir versucht, ihm die überstürzte Hochzeit auszureden.«
Mit »diese Frau« war wohl meine Schwester gemeint. Vor lauter Ärger war es in meinem Bauch ganz heiß geworden. Unglaublich, wie abwertend und respektlos Erika von Nina sprach. Was die überstürzte Hochzeit betraf, waren wir zwar einer Meinung, aber ich hätte mir eher die Zunge abgebissen und sie hinuntergeschluckt, als Erika zuzustimmen.
»Tausend Mal haben wir ihm prophezeit, dass die Ehe mit Katharina schiefgehen wird, doch er wollte einfach nicht auf uns hören.« Erika seufzte. »Keine Frau der Welt wird die Lücke, die unsere Kerstin hinterlassen hat, jemals füllen können.« Sie zog ein zerknülltes Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich damit die Augen ab. Beinahe hätte ich Mitleid mit ihr gehabt, aber irgendwie wirkte diese theatralische Geste viel zu aufgesetzt und inszeniert. Und die feuchten Augen kamen bestimmt von ihrer Tierhaarallergie. Noch dreimal tupfen, dann ließ Erika das Taschentuch wieder verschwinden. »Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir erwarten nicht, dass Daniel für immer allein bleibt. Im Gegenteil! Uns ist durchaus bewusst, dass er es als alleinerziehender Vater von drei Kindern nicht leicht hat. Insofern ist es vernünftig, dass er sich wieder eine Frau ins Haus geholt hat. Aber musste es ausgerechnet Katharina sein?«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie von meiner Schwester reden?!«, reagierte ich barsch.
»Ich hab nichts gegen Ihre Schwester«, log Erika mir dreist ins Gesicht. »Nur ist sie eben nicht die Richtige für Daniel. Eine Frau aus dem Internet – also wirklich!«
Eine Frau aus dem Internet! Sie tat ja gerade so, als wäre meine Schwester ein billiges Schnäppchen oder ein Ladenhüter aus irgendeinem Onlineshop. Dabei hatten Daniel und Nina sich beim Chatten auf der Seite einer Partnervermittlung kennengelernt. Völlig normal heutzutage. Aber vermutlich war Erikas Weltanschauung genauso überholt wie ihr kackbrauner Tweedrock.
»Ich werde nie begreifen, warum Daniel und Rebecca nach Kerstins Tod kein Paar geworden sind. Die beiden würden so gut zusammenpassen«, setzte Erika dem Ganzen noch die Krone auf.
Fassungslos schnappte ich nach Luft. Was bildete sich diese alte Zimtziege eigentlich ein?!
»Und für die Jungs wäre es auch das Beste«, fuhr Erika im munteren Plauderton fort. »Rebecca ist so eine patente Person, und so tüchtig. Außerdem weiß sie mit Kindern umzugehen.«
»Und Vollkornkekse backen kann sie auch«, setzte ich noch bissig hinzu. »Was will man mehr?«
»Ja, nicht wahr?« Entweder Erika hatte die Ironie nicht herausgehört oder absichtlich ignoriert. »Rebeccas Vollkornkekse sind wirklich fantastisch. Ganz ohne Zucker und nur mit ein paar Spritzern Honig gesüßt. Mein Friedhelm ist ganz verrückt danach.«
»Tja, über Geschmack lässt sich eben nicht streiten«, sagte ich vieldeutig und musterte dabei angelegentlich Erikas Outfit.
Aber auch dieser Seitenhieb prallte einfach an ihr ab. Da, wo hartgesottene Menschen ein dickes Fell hatten, befand sich bei dieser Frau allem Anschein nach Panzerglas.
»Gesunde und vitaminreiche Ernährung ist das A und O«, fuhr Erika fort, wandte mir den Rücken zu und arrangierte ein paar Birnen, die sie mitgebracht hatte, in einer Obstschale. »Ab jetzt werde ich dafür sorgen, dass hier alles seine Ordnung hat.« Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie dabei nicht nur Vitamine im Sinn hatte. Und richtig, als Nächstes knöpfte sie sich die Ballaststoffe vor: »Wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich um die Familie meiner Tochter
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