Maenner in Freilandhaltung
quatschten. Das konnte ich auch gebrauchen nach der ganzen Aufregung ... Ich war vom Kindergarten aus gleich hierher gefahren. Eigentlich waren Jette und ich zum Kochunterricht verabredet, aber es war bereits unangenehm schwül und drückend. Für den Nachmittag waren Schauer und Gewitter angesagt, dann würde es sich hoffentlich wieder etwas abkühlen. Draußen im Garten war es erträglich, hier ging wenigstens hin und wieder ein kleines Lüftchen. Deshalb hatten Jette und ich es nicht besonders eilig, in die Küche zu kommen.
»Tja, man hat es aber heutzutage auch wirklich nicht leicht«, seufzte ich und rang in gespielter Verzweiflung die Hände. »Ein gutes Medium ist fast so schwer zu finden wie ein guter Friseur.«
Jette, die sofort begriff, dass ich auf meinen Besuch bei Gaby anspielte, gluckste vergnügt. »Wir haben früher als Teenager mit ein paar Freundinnen mal Gläserrücken ausprobiert. Aber das ist mit Vorsicht zu genießen. Zumindest, wenn ein falsches Biest wie Monika Lammers ihre Finger mit im Spiel beziehungsweise auf dem Glas hat. Der ›Geist‹, der mit uns in Kontakt getreten ist, hat mir nämlich gesteckt, dass Pedro, mein damaliger Freund, mit einer anderen herumgeknutscht hat. Natürlich hab ich sofort Schluss gemacht – und Monika hat sich Pedro gekrallt. Danach ist der Geist nie wieder aufgetaucht.« Jette grinste und kräuselte ihre Stupsnase. »War aber nicht weiter tragisch. Pedro hatte sowieso Mundgeruch. Apropos Mund: Was meint Daniel denn dazu, dass Lukas andere Kinder beißt? Oder weiß er es noch gar nicht?«
»Doch, doch, ich hab ihn gleich angerufen, nachdem ich aus dem Kindergarten raus war. Er hat gesagt, wir seien offenbar mit der Erziehung überfordert. Wenn er Kinder beißen würde, müssten wir ihn abschaffen.«
»Abschaffen? Er will seinen eigenen Sohn abschaffen?!«
»Nein! Nicht wirklich. Er hat mir gar nicht richtig zugehört und dachte, es ginge um Ernie. Als er endlich begriff, dass von Lukas die Rede war, meinte er nur, das sei vermutlich eine Phase. Rebecca scheint das aber ganz anders zu sehen.«
»Lass dich bloß nicht verrückt machen. An deiner Stelle würde ich weder auf den Rat von Lebenden noch auf den von Verstorbenen allzu viel geben, sondern einfach auf mein Bauchgefühl hören. Darauf ist meistens Verlass.«
»Na ja, ich weiß nicht.« Gedankenverloren beobachtete ich einen Schmetterling, der in der Luft auf und ab tanzte. »Manchmal gerät mein Bauch halt ein wenig durcheinander.«
»Heißt deine Magenverstimmung vielleicht Jan?«
Die Suche nach einem Medium konnte ich mir getrost sparen. Jette schien auch über besondere spirituelle Kräfte zu verfügen. Das Gedankenlesen klappte jedenfalls schon ganz gut. Zwar hatte ich ihr bereits von Jans Hausbesuch erzählt, aber gewisse Details wie den Beinahekuss weggelassen. Nicht, weil ich nicht mit Jette darüber reden wollte oder ihr nicht vertraute. Im Gegenteil, sie war mir bereits wie eine gute Freundin ans Herz gewachsen. Der Grund, warum ich ihr nichts von den merkwürdigen Gefühlen, die Jan bei mir auslöste, erzählt hatte, war denkbar simpel: Solange ich nicht darüber redete, war auch nichts passiert. Zugegeben, eine recht kindliche Sicht der Dinge, aber streng genommen war ja auch überhaupt nichts passiert. Davon mal abgesehen, dass mein Körper gewisse Symptome gezeigt hatte, die ich nicht einzuordnen wusste.
Jette hatte damit offenbar weniger Schwierigkeiten. Nachdem ich ihr die fehlenden Puzzlestücke von Jans Besuch nachgeliefert hatte, damit sie sich ein möglichst genaues Bild von der Situation machen konnte, sagte sie völlig gelassen: »Klingt, als wärst du verknallt. Und was ist mit deinem Simon?«
»Ich bin nicht verknallt«, protestierte ich heftig. »Und außerdem ist Simon nicht mein Simon. Aber was noch nicht ist, kann morgen vielleicht werden.« Beim Gedanken an das bevorstehende Date wurde ich ganz kribbelig. Ob Simon mich zum Abschied küssen würde? Oder erhoffte er sich sogar mehr?
Jette drückte sich mit den Füßen kräftig vom Boden ab und brachte die Hollywoodschaukel zum Schwingen. »Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich bei dir unbeliebt mache: Bevor du mit Simon etwas anfängst, solltest du dir schon sicher sein, was du für Jan empfindest.«
»Stimmt, du hast recht.« Grübelnd drehte ich den bunt gestreiften Kaffeebecher in meinen Händen. »Ich glaube, die Sache mit Jan ist in Wirklichkeit ganz harmlos. So eine Art körperlicher Reflex. Nichts weiter.
Weitere Kostenlose Bücher