Maenner in Freilandhaltung
Mit Simon ist das anders. Wir harmonieren auch auf geistiger Ebene miteinander. Wir haben nicht nur den gleichen Beruf, sondern auch die gleichen Ziele.«
»Die da wären?«
»Beruflich weiterzukommen und vielleicht irgendwann einmal eine eigene Kanzlei zu führen.«
»Klingt vernünftig.«
Da wären wir uns ja einig, aber irgendetwas an Jettes Tonfall gefiel mir nicht. Wann war es eigentlich aus der Mode gekommen, vernünftig zu sein? Heutzutage wollte jeder nur noch spontan sein. Und als etwas durchgeknallt oder verrückt zu gelten, kam beinahe schon einer Auszeichnung gleich. Ich persönlich konnte diesem Trend nicht allzu viel abgewinnen. In den vergangenen Jahren hatte ich all meine Energie in den Job gesteckt. Ein solides Studium, ein verlässliches Einkommen und gute Aufstiegschancen. Was war falsch daran? Meine Beziehungen mit Männern waren mehr so nebenher mitgelaufen. Wahrscheinlich, weil der Richtige sich einfach noch nicht hatte blicken lassen – oder weil ich für die große Liebe noch nicht bereit gewesen war. Seit meine Mutter gestorben war, tat ich mich schwer damit, irgendwelche unkalkulierbaren Risiken einzugehen. Liebe war ganz sicher ein Risiko. Und unkalkulierbar noch obendrein. Umso wichtiger war es, eine Beziehung auf einer soliden Basis aufzubauen. Das steigerte die Erfolgsaussichten meiner Meinung nach immens. Nie, nie wieder, hatte ich mir nach der Beerdigung meiner Mutter geschworen, wollte ich einen Menschen, den ich so sehr liebte, verlieren. Gegen Tod und Krankheit war man nicht gefeit, aber das Risiko einer Trennung oder gar Scheidung ließ sich minimieren, wenn man bei der Partnerwahl vorausschauend vorging.
»Versteh mich bitte nicht falsch. Deine beruflichen Pläne in allen Ehren, und dein Ehrgeiz und deine Zielstrebigkeit werden dich sicher noch weit bringen. Ich finde nur, dass Job und Liebe absolut nichts miteinander zu tun haben.« Jette, die zu spüren schien, dass ich das Thema im Augenblick nicht weiter vertiefen wollte, gab dem Gespräch eine neue Richtung. »Habe ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass ich hin und wieder davon träume, mich selbstständig zu machen? Ein eigenes Restaurant, in dem ich schalten und walten kann, wie ich möchte ... das wär’s.« Jettes Augen hatten zu glänzen begonnen.
»Und? Was hindert dich daran? Du hast doch erzählt, dass dir deine Oma außer dem Häuschen auch einige Ersparnisse hinterlassen hat. Das wäre doch ein prima Startkapital.«
Jette zögerte mit der Antwort. »Theoretisch schon.«
»Und worauf wartest du dann noch? Wie ich gesehen habe, wird für die Dorfschenke ein Pächter gesucht. Wenn du mich fragst, könnte man daraus eine echte Goldgrube machen.«
»Schon möglich. Allerdings wäre Omas hart erspartes Geld vermutlich schneller futsch, als meine Gäste ein Schnitzel verdrücken können. Ich hab von dem ganzen kaufmännischen Kram nämlich keinen blassen Schimmer.«
»Das ist schnell gelernt. Außerdem könnte ich dir dabei doch unter die Arme greifen«, sagte ich eifrig.
»Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen, aber du bist schon bald wieder in Düsseldorf. Dann sitze ich hier allein mit dem ganzen Zahlensums und blick nicht mehr durch.« Jette schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, nein, wenn ich das Kochbuch fertig habe, werde ich mir hübsch brav eine neue Stelle als Köchin suchen. Manchmal ist es besser, wenn Träume auch wirklich Träume bleiben.« Unvermittelt sprang sie aus der Hollywoodschaukel auf und klatschte in die Hände. »Komm, du Faulpelz, lass uns lieber reingehen. Wenn wir heute noch was brutzeln wollen, sollten wir mal schnellstens loslegen.«
»Gute Idee.«
Ich war mehr denn je auf Jettes Kochunterricht angewiesen, denn Hannahs Rache für das verpatzte Date mit Daniel hatte nicht lange auf sich warten lassen. Die tägliche Essenslieferung war von heute auf morgen eingestellt worden. Angeblich, weil Hannah im Augenblick so furchtbar viel zu tun hatte. Aus dem gleichen Grund konnte sie auch Christopher bedauerlicherweise nicht mehr zum Fußballtraining mitnehmen. Pah, lächerlich, sie musste Florian sowieso fahren. Als ob sie schneller am Fußballplatz ankäme, wenn ein Kind weniger im Auto saß. Von nun an würde ich Christopher mit den Zwillingen im Schlepptau selbst zum Training bringen müssen. Ich konnte mir weiß Gott Schöneres vorstellen!
Mit dem leeren Kaffeebecher in der Hand folgte ich Jette in die Küche.
»Schau dich besser nicht um.« Im Vorbeigehen
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