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Maenner in Freilandhaltung

Maenner in Freilandhaltung

Titel: Maenner in Freilandhaltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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mir selbst eingestehen musste, nicht besonders hoch war.
    Mit zittrigen Fingern griff ich nach dem Telefon. »Bei Blankenburg«, meldete ich mich krächzend.
    »Katholische Kindertagesstätte Sankt Franziskus, Engel am Apparat.«
    Frau Engel war, wenn ich mich recht entsann, die Leiterin der Einrichtung, in der die Zwillinge betreut wurden. Ein geflügeltes Wesen an der Spitze eines katholischen Kindergartens – wenn der liebe Gott bei der Stellenbesetzung mitgewirkt hatte, war er ein echter Marketingprofi.
    »Mit wem spreche ich, bitte?«, fragte Frau Engel.
    »Louisa Schilling.« Und da die Kindergartenleiterin mit meinem Namen vermutlich nicht viel anfangen konnte, setzte ich noch erklärend hinzu: »Ich bin die Tante von Lukas und Finn. Ich kümmere mich um die Kinder, während meine Schwester zur Kur ist.«
    »Frau Schilling, es wäre schön, wenn Sie sofort kommen könnten. Mit einem der Zwillinge hat es einen Vorfall gegeben.«
    Wie es um ihre Qualitäten als Leiterin bestellt war, konnte ich nicht beurteilen, aber als Schutzengel schien die gute Frau nichts zu taugen.
    »Ich mache mich gleich auf den Weg«, hörte ich mich wie von fern sagen und legte auf. Haltsuchend klammerte ich mich am Esstisch fest, denn meine Knie waren plötzlich weich wie Wackelpudding.
    »Hey, was ist los? Hast du schlechte Nachrichten bekommen?«, fragte Jan besorgt.
    »Ich muss sofort in den Kindergarten. Mit einem der Zwillinge stimmt was nicht.«
    »Oh Gott, ist es sehr schlimm?«
    »Keine Ahnung«, antwortete ich tonlos, während ich panisch Ninas Autoschlüssel suchte.
    Ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich am Telefon versäumt hatte, genauer nachzufragen, was passiert war. Aber noch mal im Kindergarten anzurufen würde nur wertvolle Zeit kosten.
    »Soll ich dich hinfahren?«, bot Jan an und fischte das Telefon aus der Obstschale, wo ich es, völlig kopflos vor Aufregung, hingelegt haben musste. »Mir scheint, du bist ein bisschen durcheinander. In diesem Zustand solltest du dich lieber nicht hinters Steuer setzen.«
    »Danke für das Angebot, aber ich glaube, ich fahre lieber selbst.«
    Nach dem, was eben zwischen uns passiert war, oder besser gesagt beinahe passiert wäre, trug Jans Anwesenheit nicht gerade dazu bei, meine aufgewühlten Nerven zu beruhigen.
    Hastig verabschiedete ich mich von Jan und stieg mit zitternden Knien in Ninas Auto. Nachdem ich den Motor zweimal hintereinander abgewürgt hatte, gelang es mir endlich, den Van zu starten. Zum Glück gab es in Hasslingdorf kaum Ampeln, und die wenigen Verkehrsschilder, die die Vorfahrt regelten, legte ich, um Zeit zu sparen, großzügig zu meinen Gunsten aus. Hatte die Leiterin Vorfall gesagt? Oder Unfall? Herrjemine, hoffentlich war nichts Schlimmes passiert! Aber wegen eines Risses in der Hose oder ein paar Kratzern am Knie hätte man mich wohl kaum sofort herbeigerufen. Im Geiste sah ich Finn – oder war es Lukas? – schon blutüberströmt auf einer Trage liegen.
    Als ich mit quietschenden Reifen den Parkplatz des Kindergartengeländes erreichte, hatte ich im Kopf alle erdenklichen Horrorszenarien durchgespielt und war mit den Nerven völlig am Ende. Ich sprang aus dem Auto und rannte auf das Gebäude zu. Von außen sah alles so aus wie immer. Kein Krankenwagen oder Feuerwehrauto vor der Tür. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Wenn es in dieser gottverlassenen Gegend noch nicht einmal Taxis gab, sah man Krankenwagen und Feuerwehrautos womöglich auch als überflüssigen Luxus an.
    »Ach, Louisa. Gut, dass du so schnell kommen konntest.« Rebecca, die mich offenbar schon erwartet hatte, fing mich an der Eingangstür ab.
    »Was ist los? Was ist passiert?!«
    Am liebsten hätte ich sie wie einen Apfelbaum geschüttelt, damit sie ohne langes Drumherumgerede ausspuckte, was vorgefallen war.
    »Es geht um Lukas.«
    »Was ist mit Lukas? Nun sag schon endlich!«
    Mein kleiner süßer Lukas – ich wollte sofort zu ihm! Auch wenn ich mir Mühe gab, alle drei Jungs gleich zu behandeln, so war er mir doch besonders ans Herz gewachsen.
    Rebecca legte sorgenvoll die Stirn in Falten. »Lukas hat einen anderen Jungen gebissen.«
    »Gott sei Dank!« Geräuschvoll ließ ich die angehaltene Luft entweichen. Puh, was war ich erleichtert. »Ich dachte, es wäre etwas Schlimmes passiert«, sagte ich vorwurfsvoll.
    Hatten die ein Rad ab, mich wegen einer kleinen Auseinandersetzung unter Jungs dermaßen in Angst und Schrecken zu

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