Maenner in Freilandhaltung
drohte die Unterhaltung erneut einzuschlafen. Was keineswegs an Simon lag. Mir fiel es zunehmend schwer, mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren, denn der Pfefferminztee zeigte nicht die erhoffte Wirkung. Statt sich aufzulösen, wurde der kalte Klumpen in meinem Magen immer größer und größer, bis ich schließlich richtige Krämpfe bekam. Mann, tat das weh! Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass der von Simon so hochgelobte Jungbrunnen bei mir das genaue Gegenteil bewirkte – er schien meine Lebenserwartung drastisch zu verkürzen. Unter Schmerzen wand ich mich auf meinem Stuhl und versuchte verzweifelt, mir nichts von meinen Qualen anmerken zu lassen. In weiser Voraussicht hielt ich aber schon mal nach der Damentoilette Ausschau.
»Wollen wir noch irgendwo etwas trinken gehen?«, fragte Simon, nachdem wir das Essen endlich hinter uns gebracht hatten. Seine Augen blitzten unternehmungslustig. Der Mann war einfach nicht kleinzukriegen. Obwohl der Abend bislang nicht gerade ein Bombenerfolg gewesen war, hatte er offenbar nicht vor, die Flinte schon ins Korn zu werfen. »Oder möchtest du vielleicht lieber ins Kino? Die Spätvorstellung schaffen wir noch locker. Ich bin zu allen Schandtaten bereit.«
»Äh ... also ... wenn ich ehrlich bin, würde ich am liebsten ganz schnell ins Bett.« Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – schließlich hatte Simon von Schandtaten gesprochen –, fügte ich noch hastig hinzu: »Mir geht’s irgendwie nicht so besonders.«
Simon warf mir einen besorgten Blick zu. »Jetzt, wo du’s sagst ... Du bist auch ein bisschen grün im Gesicht.«
»Das muss an den Algen liegen«, presste ich mühsam hervor, denn mein Magen zog sich gerade wieder heftig zusammen. Heiliger Strohsack, so fiese Schmerzen konnten keine normalen Magenkrämpfe sein, schon eher Wehen. Aber: Von nichts kommt nichts. Und nach dem heutigen Abend sah es nicht danach aus, als würde die Ära meiner sexuellen Abstinenz allzu schnell zu Ende gehen.
Ritterlich reichte Simon mir den Arm. »Komm, ich fahre dich nach Hause.«
»Um halb elf hab ich im Bett gelegen«, berichtete ich Pia, die vor Neugier, wie mein erstes Date mit Simon gelaufen war, fast platzte.
Meine Freundin grinste anzüglich. »Vermutlich nicht allein.«
»Nein, nicht allein. Mit einer Wärmflasche.«
»Soso, Wärmflasche nennt man das jetzt. Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um eine verdammt attraktive Wärmflasche gehandelt hat?«
»Attraktiv? So würde ich es nicht gerade nennen. Es sei denn, man hat eine Schwäche für rosafarbenen Frotteestoff ... Und überhaupt, was denkst denn du von mir?!« Über meine Teetasse hinweg warf ich Pia einen empörten Blick zu. »So gut müsstest du mich doch eigentlich kennen! Ich bin keine dieser Frauen, die gleich beim ersten Mal mit einem Mann in die Kiste springen.« Nein, so eine bin ich nicht, dachte ich deprimiert, ich bin eine dieser Frauen, die es schaffen, einen Kerl gleich beim ersten Mal in die Flucht zu schlagen. Und davon gab es bestimmt nicht viele. Ich schilderte Pia in groben Zügen den Ablauf des vergangenen Abends, wobei ich mit Rücksicht auf meinen Magen, der immer noch ziemlich angeschlagen war, den Teil, der mit Essen zu tun hatte, weitgehend aussparte. »Unsere erste Verabredung hab ich mir irgendwie anders vorgestellt«, schloss ich mit einem tiefen Seufzer.
Pia und ich hatten uns in einem kleinen Café in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs getroffen. Nach einer ziemlich unruhigen Nacht, die ich zum größten Teil auf der Toilette verbracht hatte, befand ich mich auf der Rückreise ins Sauerland, und meine Freundin machte hier auf dem Weg zur Arbeit einen kurzen Zwischenstopp.
»Jetzt guck nicht so belämmert, Louisa. Schließlich konntest du nichts dafür, dass dein Magen Faxen gemacht hat. Hin und wieder sind wir alle mal ein wenig ...«, Pia suchte nach dem passenden Wort, »... unpässlich. Bestimmt hat Simon Verständnis dafür.« Über den Tisch hinweg tätschelte sie tröstend meine Hand. »Beim nächsten Mal wird es bestimmt besser laufen.«
»Sofern es ein nächstes Mal gibt«, sinnierte ich düster, während ich mit dem Löffelstiel im Wechsel kleine und große Kreise aufs Tischtuch zeichnete. »Hoffentlich hat Simon nach diesem verpatzten Abend nicht die Nase voll von mir.«
»Ach was, ganz bestimmt nicht. Simon steht auf dich. Wenn du wüsstest, wie oft er in den letzten Tagen aus irgendeinem fadenscheinigen Grund in unserem Büro
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