Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
nur selbst durch die Wanten, du bleibst schön hier«, erklärt sie resolut.
Ihr Ehemann sagt vorsichtshalber gar nichts.
»Das war schon in Ordnung so«, gibt der Fahrzeugeinweiser zurück. »Wir steigen jetzt beide bei Ihnen ein und dann kann der Lokführer auch weiterfahren. Sonst kommt hier der ganze Tagesfahrplan durcheinander.« Energisch öffnet er die hintere Tür und zwingt den immer noch zitternden Bastian Kreuzer mit sanfter Gewalt auf den Rücksitz.
»Aber nichts vollbluten«, mahnt die Frau vom Vordersitz mit strenger Stimme.
»Lass mal, Mutti, er steht doch unter Schock«, mischt sich jetzt auch ihr Mann ein.
Trotzig reicht seine Frau zwei Pakete Papiertaschentücher nach hinten und schickt gleich noch einen drohenden Blick hinterher.
Während der Bahnmitarbeiter per Handy Entwarnung gibt und der Zug sich langsam wieder in Bewegung setzt, rekapituliert Bastian Kreuzer die Ereignisse. Dann zieht er mit der unverletzten linken Hand sein Handy aus der Innentasche der Lederjacke. Es dauert nur zwei Minuten bis er eine Verbindung zur Polizeistation in Niebüll hat.
»Kreuzer hier, Kripo Westerland. Ich brauche sofort zwei Einsatzwagen zum Autoshuttle. Mit dem nächsten Zug kommt ein dunkelgrauer Lexus, der darf euch auf keinen Fall entkommen. Er muss entweder auf der oberen Etage mitfahren oder unten in der ersten Hälfte. Und sollten euch mehrere solcher Wagen entgegenkommen, dann stoppt ihr sie alle. Haltet die Fahrer fest, zur Not mit Gewalt. Ich bin selbst auf dem Zug, aber weiter hinten. Ich sehe euch dann so schnell wie möglich und übernehme alles Weitere.«
Bastian Kreuzer spürt, wie ihm mit den letzten Worten die Puste ausgeht. Sein Herz schlägt buchstäblich bis zum Hals hinauf. Aber er weiß genau, er hat jetzt noch eine halbe Stunde Zeit, um sich auszuruhen. Danach muss sich zeigen, ob sein Einsatz berechtigt war, oder ob er sich und den Bahnmitarbeiter ganz umsonst in Lebensgefahr gebracht hat. Immerhin ahnt der Verfolgte nichts davon, dass ihm die Polizei auf der Spur ist. Er wird den kurzen Stopp auf freier Strecke sicher nicht mit sich selbst in Verbindung bringen und hoffentlich keinen unbedachten Fluchtversuch unternehmen.
Donnerstag, 23. Juni, 18.26 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
»Wo ist Hübner?«, fragt Silja Blanck überrascht, als Sven Winterberg ohne den Journalisten das Büro der Kommissare betritt.
»Der wartet mit einem Kollegen von der Wache im Vernehmungsraum. Ich wollte vorher noch mal kurz allein mit dir sprechen.«
»Glaubst du auch, wir könnten einen Fehler gemacht haben?«
Siljas Stimme klingt zögernd, fast zaghaft.
Sven fährt sich mit den Händen durchs Haar und massiert anschließend seinen Nacken. Dabei lässt er den Kopf langsam von links nach rechts kreisen.
»Du kannst Fragen stellen …«
»Jetzt ist es ohnehin zu spät«, überlegt Silja. »Entweder die Sache entpuppt sich als echt peinliche Nummer, oder es ist der ganz große Coup.«
» Showdown auf dem Sylt-Shuttle , ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir«, frotzelt Sven.
»Hoffentlich passiert Bastian nichts.«
»Der ist zäh, das weißt du doch.«
Silja nickt, dann wechselt sie das Thema. »Und Fred Hübner? Ist schon merkwürdig, dass vorhin keiner von uns dreien geglaubt hat, dass er’s war, obwohl im ersten Moment alles gegen ihn sprach.«
»Ein Betrunkener schafft es gar nicht, so einen perfekten Mord zu inszenieren. Und total zugesoffen war dieser Hübner auf jeden Fall in der Mordnacht, davon haben wir uns am nächsten Morgen ja selbst überzeugen können.«
»Schon. Aber andererseits hat er uns auch den ersten wirklich brauchbaren Hinweis geliefert. Erinnere dich: Den Namen des ersten Opfers haben wir von ihm.«
»Den Namen nicht, aber ihr Hurenpseudonym«, korrigiert Sven die Kollegin.
»Meinetwegen. Hurenpseudonym. Wie klingt das überhaupt? Hast du dir das Wort eben ausgedacht?«
»Und wenn schon. Ich wollte einfach nur politisch korrekt sein.«
»Damit ich nicht wieder mit der Feminismus-Nummer komme?«
»So ähnlich.« Sven grinst. »Und jetzt lass uns runtergehen. Ich muss unbedingt was tun, sonst denke ich die ganze Zeit an Bastian und überlege, warum er sich verdammt nochmal nicht längst gemeldet hat.«
»Geht mir auch so. Eine letzte Frage: Wir lassen Hübner jetzt aber nicht spüren, dass wir sowieso nicht so ganz an seine Schuld glauben, oder?«
»Nee, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, wir nehmen ihn so richtig schön in die Mangel. Selbst wenn
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