Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Sie Fred.«
»Er sagte, er habe den Schlüssel erst heute Nachmittag von Ihnen bekommen«, antwortet Bastian ehrlich verwundert.
»Das ist Quatsch«, widerspricht Behrmann energisch. »Ich wollte vorhin noch ein paar Details mit Fred besprechen, deswegen haben wir uns in der Wohnung getroffen, aber er hat den Schlüssel schon länger. Ich weiß nicht genau, seit wann, aber eine Woche ist es bestimmt schon her, dass ich ihm meine Wohnung als Ausweichquartier angeboten habe, falls er es zu Hause mal wieder nicht aushält.«
»Vorhin haben Sie sich noch darüber gewundert, dass er das Quartier auch nutzt«, wirft Bastian Kreuzer ein.
»Ich habe mich darüber gewundert, dass er Ihnen aufgemacht hat«, korrigiert ihn Behrmann. »Das ist ein Unterschied.«
»Wie auch immer. Wo waren Sie in der letzten Nacht?«
»Fred und ich haben gestern miteinander zu Abend gegessen. Im Schneckenhäuschen . Dann haben wir noch einen Absacker in einer Bar genommen … jedenfalls war es für mich ein Absacker. Fred sah mir nicht so aus, als sei der Abend damit für ihn beendet.«
»Sie wollen andeuten, dass er allein weitergetrunken hat?«
»Ich gehe davon aus, ganz genau.«
»Um welche Uhrzeit haben Sie sich getrennt?«
Jens-Uwe Behrmann zuckt die Achseln und überlegt eine Weile. »Gegen Mitternacht würde ich sagen, vielleicht war es auch ein bisschen früher.«
»Sie sind dann zurück in Ihre Wohnung gegangen, nehme ich an?«
»Nein. Im Gegenteil. Fred ist in meine Wohnung gegangen, jedenfalls habe ich ihn vor der Tür des Gebäudes abgesetzt.«
»Interessant. Und wo haben Sie geschlafen?«
Der Politiker räuspert sich und sagt dann leise: »Ich gehe davon aus, dass dies ein vertrauliches Gespräch ist …«
»Selbstverständlich.«
»Ich war bei einer Freundin.«
»Auf Sylt?«
»Auf Sylt.«
»Die das bezeugen kann?«
»Wenn es sein muss. Warum fragen Sie mich das alles eigentlich?«
»In der letzten Nacht ist eine Frau ermordet worden. Und eines ihrer langen roten Haare haben wir vorhin in Ihrer Wohnung gefunden.«
Insgeheim hofft Bastian sehr, dass das entsprechende Haar tatsächlich von Marga Mönchinger oder Sibylla Polenz stammt. Wenn dieser Behrmann beide Frauen auf dem Gewissen hätte, wäre es perfekt. Die erheblich drängendere Frage ist allerdings: Hat Behrmann überhaupt irgendetwas mit den Morden zu tun? Sorgfältig studiert Bastian Kreuzer dessen Gesicht. Empörung spiegelt sich darin. Empörung und ein winziges bisschen Ratlosigkeit. Nach Schuldbewusstsein sucht der Hauptkommissar im Gesicht des Politikers allerdings vergeblich.
»Sie wollen andeuten, dass diese Frau in meiner Wohnung umgebracht worden ist?«, erkundigt sich Behrmann fassungslos.
»Möglich ist es. Jedenfalls hat sie sich dort aufgehalten, als sie noch lebte, sonst hätten wir ja wohl kaum ihr Haar gefunden.«
Schon seit einigen Minuten denkt Hauptkommissar Bastian Kreuzer, dass ihn jeder Staatsanwalt für diese Vernehmung mit Vergnügen an den Pranger stellen würde. Vermutungen als Tatsachen ausgeben und damit dann auch noch jemanden unter Druck setzen, der zunächst nur als Zeuge in Frage kommt, das ist nun wirklich ganz schlechter Stil.
Doch zum Glück ist kein Staatsanwalt anwesend und Jens-Uwe Behrmann scheint viel zu authentisch erschüttert zu sein, um an seine Verteidigung zu denken. »Ich dachte, die Tote ist am Strand gefunden worden«, murmelt er. »Jedenfalls habe ich es so in den Nachrichten gehört.«
»Ist sie auch. Aber vorher war sie in Ihrer Wohnung.«
»Mit Fred?«
»Oder mit Ihnen. Sie hieß Marga Mönchinger. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Natürlich nicht.«
Jetzt wird der Politiker doch sauer, Bastian sieht es an seiner Miene. Und er findet, dass das genau der richtige Zeitpunkt ist, um härtere Bandagen anzulegen.
»Herr Dr. Behrmann, es tut mir leid, aber ich muss Sie bitten, mit mir wieder auf die Insel zurückzukehren, bis alle Fragen geklärt sind.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Dann nehme ich Sie fest. Wegen Verdunkelungsgefahr.«
Jens-Uwe Behrmann verzichtet auf jeden Kommentar, schüttelt aber fassungslos den Kopf. Bastian Kreuzer steht auf.
»Gehen wir. Ich denke, dass die Herren vom Sylt-Shuttle für einen Streifenwagen durchaus noch ein Plätzchen auf dem nächsten Zug reservieren können. Wenn Sie mir bitte folgen wollen …«
Donnerstag, 23. Juni, 22.41 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
»Was machen wir denn jetzt bloß?«
Entnervt
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