Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
er es nicht war, vielleicht gibt es ja noch ein paar Dinge, die er weiß und uns bisher nicht verraten hat.«
»So wie im letzten Sommer …«, ergänzt Silja und öffnet energisch die Bürotür.
Donnerstag, 23. Juni, 18.51 Uhr,
Sylt-Shuttle,
Autoverladestation Niebüll
Als der Passat mit dem Rentner und seiner Frau auf den beiden Vordersitzen und Kriminalkommissar Bastian Kreuzer und dem Autoeinweiser auf den Rücksitzen endlich von der Rampe rollt, bietet sich den Insassen des Wagens ein Bild wie aus dem Sonntagabend-Tatort.
Drei Streifenwagen mit rotierendem Blaulicht stehen im Halbkreis um zwei fast identisch aussehende Limousinen der Marke Lexus. Mehrere uniformierte Beamte lehnen an ihren Autos und lassen die Luxuskarossen ebenso wenig aus dem Blick wie deren Fahrer. Einer von ihnen steigt gerade aus seinem Wagen und geht mit drohenden Gebärden auf die Beamten zu. Als diese daraufhin ihre Waffen ziehen und entsichern, bleibt der ältere Herr mit dem vollen weißen Haarschopf sofort stehen. Seine ganze Selbstsicherheit ist zum Teufel. Im Gegensatz zu den Kollegen weiß Bastian Kreuzer sofort, dass der Gesuchte sich nur in dem zweiten Wagen befinden kann.
»Halten Sie an, sofort«, befiehlt er dem Rentner. Ohne Dank oder Abschied springt er aus dem Passat. Es sind nicht mehr als zwanzig Meter bis zu dem Pulk, der jetzt wie erstarrt scheint. Bewaffnete Polizisten bedrohen einen fassungslosen Bürger. Wie gut, dass das die Staatsanwältin nicht sehen kann, denkt Bastian noch, dann hat er die uniformierten Kollegen erreicht.
»Kreuzer, wir haben telefoniert«, ruft er in die Runde, »Sie können die Waffen runternehmen.«
Der Herr mit der schlohweißen Mähne dreht sich zu ihm um. Sein Blick bleibt sofort an Bastians rechter Hand hängen, die wegen des großflächig getrockneten Blutes aussieht, als sei sie halb verstümmelt.
»Brauchen Sie Hilfe?«, erkundigt sich der Herr und geht auf Bastian zu. Die Polizisten heben ihre Waffen wieder.
»Ist schon gut, Kollegen«, beschwichtigt Bastian die Beamten und antwortet dann auf die Frage. »Danke für Ihr Angebot, aber es geht schon. Sind Sie Arzt?«
Der Angesprochene nickt.
»Tut mir wirklich leid, dass man Sie aufgehalten hat. Wir haben eine Fahndung nach einem grauen Lexus LS 460 rausgegeben«, Bastian weist auf den zweiten Wagen, hinter dessen getönten Scheiben er niemandem erkennen kann, »deswegen hat man Sie festgehalten. Aber der Mann, den ich suche, wird wohl in dem anderen Auto sitzen. Entschuldigen Sie bitte noch einmal die Umstände. Sie können jetzt fahren. Danke für Ihre Geduld.«
»Na dann, alles Gute für Sie, und kümmern Sie sich um Ihre Hand, die sieht gar nicht gut aus«, antwortet der Weißhaarige, steigt in sein Auto und startet den fast nicht hörbaren Motor.
Erst jetzt wendet sich Bastian Kreuzer dem anderen Wagen zu. Dessen Fahrer denkt offensichtlich gar nicht daran, sein Auto zu verlassen. Bastian lässt sich von einem der Beamten Feuerschutz geben und ruft laut:
»Aussteigen bitte, aber langsam.«
Nichts geschieht.
Ist das Kalkül? Sitzt da vielleicht jemand mit gezogener Waffe im Wageninneren und wartet nur darauf, dass die Polizei einen Fehler macht? Bastian verwirft diesen Gedanken ebenso schnell, wie er ihm gekommen ist. Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass der Fahrer durch sein Verhalten Coolness demonstrieren will. Und wer könnte eher auf diese Idee kommen, als jemand, der etwas zu verbergen hat?
Langsam geht Bastian auf den Lexus zu. Ebenso langsam fährt jetzt das Fenster auf der Fahrerseite herunter. Eine ordentliche Fönfrisur erscheint und darunter ein ziemlich faltenfreies Durchschnittsgesicht. Jens-Uwe Behrmann blickt mit mäßigem Interesse auf die Szene jenseits seines Autos.
Bastian spürt für Sekunden nichts als Erleichterung. Immerhin war der Gesuchte wenigstens auf dem Autozug, und die ganze Aktion nicht völlig umsonst. Nicht auszudenken, wenn diese Information von Fred Hübner sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätte. Doch bevor Bastian seine Erleichterung so richtig genießen kann, prallt er auf die Aura von Arroganz und Kälte, die den Politiker umgibt.
»Sie wünschen?«
Die Stimme Jens-Uwe Behrmanns klingt metallisch. Er sieht noch nicht einmal sonderlich überrascht oder erbost aus, findet Bastian. Aber vielleicht hat er die Wartezeit auch nur gut genutzt und die eigene Aufregung erfolgreich bekämpft.
»Hauptkommissar Bastian Kreuzer von der Kripo Westerland. Herr
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