Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
aussagen?«, Sven Winterberg gibt sich Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
»Jederzeit. Aber wenn wir schon mal so nett beisammensitzen, dann würde ich Ihnen gern noch was anderes erzählen. Das liegt mir nämlich seit gestern auf der Seele. Natürlich nur, wenn Sie noch einen Moment Zeit haben und falls es Sie überhaupt interessiert.«
»Kommen Sie zur Sache, Hübner.«
»Sie haben doch nach diesem Glatzkopf gesucht, oder? Er sollte irgendetwas im Fall der ersten Toten bezeugen.«
»Ja?«
»Ich weiß zufällig, wer’s ist. Aber wahrscheinlich wissen Sie es auch schon.«
»Selbst wenn, möchte ich es sehr gern noch einmal von Ihnen hören.«
Svens Gestalt strafft sich. Wenn sie tatsächlich erfahren könnten, wer der ominöse Besucher bei den Mönchingers in der Nacht des ersten Mordes war, dann hätten sie endlich einen wirklich Verdächtigen. Denn dass sie mit Hubert Mönchinger den Falschen inhaftiert hatten, ist nach dem zweiten Mord leider recht wahrscheinlich geworden. Und auch Fred Hübner gibt trotz seiner Anwesenheit am Tatort keinen brauchbaren Verdächtigen ab. Man kann ihm vieles unterstellen, aber wie ein Triebtäter wirkt er nicht.
»Also: Raus mit der Sprache.«
»Sie werden’s vielleicht nicht glauben, aber dieses Phantombild, das Sie da veröffentlicht haben, zeigt einen angesehenen Sylter Bürger.«
»Kennen Sie auch seinen Namen?«
»Klar kenne ich den. Manfred Pabst ist mein Psychoklempner. Wenn Sie wüssten, was ich dem monatlich an Honorar überweise, würden Sie sich noch nicht mal darüber wundern, wenn ich sogar seine Kontonummer auswendig wüsste.«
Sven macht sich eine kurze Notiz. » Papst wie der Papst?«
»Mit b wie Berta«, korrigiert ihn Hübner und schiebt schnell noch eine Frage nach: »Der Tipp ist tatsächlich neu für Sie, oder?« Als Winterberg auf eine Antwort verzichtet, murmelt er nur: »Na ja, kein Wunder. Wer verpfeift schon seinen eigenen Analytiker? So blöd kann ja wieder mal nur ich sein.«
»Wir behandeln Ihre Angaben selbstverständlich vertraulich«, versichert ihm der Oberkommissar.
»Ja klar, das hoffe ich auch. Denn wenn ich erst mal meinem Turkey in voller Lebensgröße gegenüberstehe, dann brauche ich meinen Analytiker mindestens genauso nötig, wie ihr diesen verdammten Frauenmörder braucht.«
»Dann wollen wir beide mal ganz fest hoffen, dass es sich hierbei nicht um ein und dieselbe Person handelt«, erwidert Sven Winterberg ungerührt und greift nach dem Telefon. »Ich rufe Ihnen jetzt ein Taxi. Sie fahren nach Hause, nüchtern gründlich aus, und dann will ich Sie hier noch einmal zur Vernehmung sehen. Vielleicht erinnern Sie sich bis dahin wieder an Details.«
»Morgen Vormittag?«, schlägt Fred Hübner unerwartet kooperativ vor.
»Elf Uhr«, bestätigt der Oberkommissar. »Und wenn Ihnen vorher einfällt, mit wem Sie die Nacht durchgesoffen haben, dann wissen Sie ja, wie Sie uns erreichen können.«
Donnerstag, 23. Juni, 10.47 Uhr,
Trabantenstadt Tenever, Bremen
»Hier in Bremen gibt es eher Probleme mit Türken und Arabern als mit Russen oder Polen. Besonders unangenehm sind allerdings die mafiösen Strukturen einer Großfamilie aus den Nahen Osten, die fast die ganze Stadt kontrolliert«, erklärt Kommissar Hauke Wolter, ein hagerer Kollege von der Bremer Kriminalpolizei, der beim Lachen schadhafte Zähne entblößt. Während er Silja durch eine Straßenflucht lotst, die links und rechts von einfallslos gestalteten Hochhäusern gesäumt wird, redet er weiter. »Die Ausländer sind fast alle in den sechziger und siebziger Jahren gekommen, als Deutschland noch Arbeitskräfte brauchte. Damals ist auch dieses Viertel entstanden. Als es mit der Wirtschaft dann abwärts ging, haben sich besonders hier in der Trabantenstadt Tenever und weiter unten Richtung Hafen in Groepelingen ganze Slums gebildet, in denen die Polizei kaum noch durchkam. In Groepelingen lag der Ausländeranteil zeitweise bei bis zu 90 Prozent. Ich glaube, bei dem, was in den letzten Jahrzehnten hier abging, hätten selbst die hartgesottenen Kollegen aus Berlin kapituliert.«
»Aber manches sieht doch ganz manierlich aus«, wirft Silja ein und deutet auf eine frisch renovierte Fassade.
»In den letzten zehn Jahren hat sich einiges getan. Kreative haben dieses Viertel für sich entdeckt. Die Mieten waren günstig, und außerdem hatte alles etwas leicht Verruchtes – das hat sie wohl angezogen.«
»Und von denen hat dann das ganze Viertel
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