Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
gequälter Stimme.
»Sie wurde erdrosselt, sie hat vielleicht nicht lange leiden müssen.«
Die scharfen Schnitte, die den gesamten Körper der Toten überziehen und sehr wohl von ausführlichem Leid künden, verschweigt Bastian lieber, auch wenn er es für wenig wahrscheinlich hält, dass Mönchinger darauf verzichten wird, einen letzten Blick auf den Körper seiner getöteten Frau zu werfen.
Donnerstag, 23. Juni, 10.40 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
Nachdenklich steht Sven Winterberg am Fenster seines Büros. Unten verlässt Bastian gerade mit Hubert Mönchinger das Gebäude. Während die Schritte des Hauptkommissars energisch ausholend sind, wirken die des anderen Mannes schleppend. Seine Gestalt ist gebückt und strahlt etwas Greisenhaftes aus. Sven Winterberg beneidet ihn nicht um den Anblick, der ihm bevorsteht.
Als es kurz darauf klopft, wendet sich Sven vom Fenster ab. In der Tür erscheinen zwei Kollegen von der Wache, die zwischen sich Fred Hübner halten. Der Journalist wirkt nicht so, als könne er auf eigenen Füßen stehen. Seine Augen sind glasig, die Gesichtsfarbe weist einen starken Grünstich auf und seine Worte klingen verwaschen.
»Was wollt ihr denn nun schon wieder von mir? Mir geht’s beschissen. Lasst mich doch einfach in eurer stinkenden Zelle in Ruhe sterben.«
»So schnell stirbt’s sich nicht, Herr Hübner. Setzen Sie sich da hinten in den Stuhl, der hat Armlehnen, dann fallen Sie mir wenigstens nicht herunter.«
»Danke, sehr fürsorglich«, murmelt Hübner, während die Kollegen ihn in den Drehsessel hinter Bastian Kreuzers Schreibtisch drücken.
»Kleiner Absturz gestern Abend?«, beginnt Sven das Gespräch.
»Leck mich doch. Was geht dich das an?«, ist die wenig verbindliche Antwort.
»Mehr als Sie vielleicht denken. Denn ob Sie es glauben oder nicht, Sie waren in der letzten Nacht nicht die einzige Leiche am Strand.«
»Weiß ich schon. Hab mir längst gedacht, dass mein Kumpel nicht weit gekommen sein kann.«
»Welcher Kumpel?«
»Geht euch ’n feuchten Kehricht an. Was soll das Ganze hier überhaupt? Ich hab vielleicht besoffen am Strand gelegen, aber ich hab niemanden belästigt und nichts getan. Ihr könnt mir also gern ’n Taxi rufen.«
»Nicht so eilig, Herr Hübner. Vorher erwarte ich eine Antwort auf meine Frage: Mit wem haben Sie den gestrigen Abend verbracht, und wer müsste heute Morgen Ihrer Meinung nach auch am Strand gelegen haben?«
Fred Hübner zögert einen Moment mit seiner Antwort. Er runzelt die Stirn und kratzt sich den Kopf. Und als er zu reden beginnt, klingt seine Stimme entschieden klarer als bisher.
»Glauben Sie vielleicht, ich kenn den Namen von jedem Alki, der hier auf der Insel unterwegs ist? Hab den Typen am Bahnhof angesprochen und ihm einen ausgegeben. Irgendwie tat er mir leid, tja und dann tat ich mir plötzlich selbst am meisten leid und hab mitgesoffen. War vielleicht keine so gute Idee, aber wie gesagt: Was geht euch das Ganze eigentlich an?«
»Es hat in der letzten Nacht eine weitere Tote am Strand gegeben, Herr Hübner. Sie erinnern sich wahrscheinlich an das erste Opfer, das wir am vergangenen Freitag dort gefunden haben und mit Ihrer Hilfe identifizieren konnten. Seitdem haben ja alle Gazetten das Foto der Frau gebracht …«
»Höre ich da Missbilligung gegenüber manchen Presseerzeugnissen heraus?«, wirft Hübner spöttisch ein und richtet sich mühsam auf. Sein Gesicht nimmt langsam wieder eine normale Farbe an. »Ein Glas Wasser wäre jetzt ganz angenehm, wenn ich eine Bitte äußern dürfte.«
Sven füllt ein Glas und knallt es auf Bastian Kreuzers Schreibtisch.
»Bedienen Sie sich. Und dann will ich alles wissen, was Sie in der letzten Nacht am Strand beobachtet haben.«
»Danke.« Hübner trinkt. Er lässt sich Zeit und scheint dabei mehr oder weniger konzentriert zu überlegen. Als er das leere Glas wieder auf dem Schreibtisch abstellt, verzieht er sein Gesicht zu einer Grimasse.
»Der Cognac gestern Abend war besser, aber lassen wir das. Sie wollen also meine Aussage, ja? Leider muss ich da passen. Aber vielleicht können Sie sich vorstellen, dass ich die Vorstellung, dass jemand eine Frau am Strand kaltmacht, während ich besinnungslos danebenliege, auch nicht besonders anziehend finde. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich nichts weiß. Ich hab nichts gesehen und nichts gehört. Ich kann mich noch nicht mal daran erinnern, wie ich selbst dahin gekommen bin.«
»Würden Sie das auch unter Eid
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