Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Balkon mit einer Flasche Wein gemütlich gemacht. Und danach bin ich selbstverständlich nicht mehr Auto gefahren, ich hatte ja erheblich zu viel getrunken.«
Wieder schallt das tiefe Lachen des Analytikers über die Hügel. Bastian findet, dass es falsch klingt. Falsch und gestellt. Ein kurzer Seitenblick zu Silja zeigt ihm, dass auch sie von der Aussage Pabsts nicht überzeugt ist.
»Ich nehme an, Sie werden die Aussage Ihres Lebensgefährten gleich bezeugen«, wendet er sich an Marleen Anding.
Die junge Frau nickt entschieden. »Ich erinnere mich gut, denn Manfred hat mich an diesem Abend gebeten, zu ihm zu ziehen. So etwas vergisst man natürlich nicht.«
»Natürlich nicht.« Bastians Stimme klingt plötzlich sehr warmherzig und zugewandt. Den erstaunten Blick Siljas ignoriert er. »Allerdings frage ich mich dann, warum uns die Schwägerin des letzten Mordopfers eine so genaue Beschreibung von Herrn Pabst geben konnte. Sie werden mir ja sicher beipflichten, wenn ich sage, dass es sich bei Ihrem Partner nicht gerade um einen Allerweltstypen handelt.«
»Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, dass Manfred mit dieser Sache nichts zu tun haben kann.«
Energisch greift Marleen Anding nach einer Kiste, um sie ins Haus zu tragen, doch Bastian legt eine seiner Pranken auf ihre Hand.
»Einen Moment bitte noch. Wussten Sie auch, dass Manfred Pabst den Ehemann des zweiten Mordopfers sehr gut kennt?«
Bevor der Analytiker protestierend eingreifen kann, wendet sich Bastian ihm zu. »Herr Pabst, es wäre äußerst hilfreich, wenn Sie sich jetzt einen Moment zurückhalten würden.«
»Nein, das wusste ich nicht.« Marleen Andings Stimme klingt seltsam desinteressiert. Überraschung hört sich anders an, denkt Bastian und redet weiter.
»Hubert Mönchinger ist bei Herrn Pabst in therapeutischer Behandlung. Das ist eine Information, die, wie Sie sich leicht vorstellen können, nicht öffentlich bekannt ist. Der Herr, der nachts an Hubert Mönchingers Haustür geklingelt hat, hat sich aber als der Analytiker des Hausherrn vorgestellt. Das heißt, er müsste nicht nur über ausgeprägte maskenbildnerische Fähigkeiten, sondern auch über echtes Geheimwissen verfügt haben.«
»Das ist ja unglaublich!«
Marleen Anding stemmt die Arme in die Seiten und funkelt die Kommissare an, als könnten die etwas dafür, dass vertrauliche Details, die ihr Freund ganz zu Recht für sich behalten sollte, offenbar bekannt geworden sind. Bastian überzeugt sich durch einen Seitenblick, dass auch Silja dieses Detail nicht entgangen ist.
Leise sagt er zu ihr: »Pass auf. Wir machen es jetzt genauso wie letztens mit den Geschwistern Mönchinger. Wir trennen die beiden. Du vernimmst die Frau. Ich knöpfe mir den Kerl vor. Ich fordere gleich einen zweiten Wagen an, dann kannst du mit ihr schon mal in unserem zurückfahren.«
Sichtlich irritiert haben Manfred Pabst und Marleen Anding das Geraune verfolgt. Als sich Bastian den beiden wieder zuwendet, ist ihm ihre volle Aufmerksamkeit sicher.
»Leider müssen wir Sie bitten, uns zur Vernehmung aufs Kommissariat zu begleiten. Und zwar beide. Meine Kollegin wird mit Ihnen, Frau Anding, schon mal vorfahren. Herr Pabst, wir zwei werden uns noch ein wenig gedulden müssen, bis ein weiterer Wagen eintrifft. Wenn Sie mögen, kann ich Ihnen in der Zwischenzeit helfen, die Kisten ins Haus zu tragen. Auch wenn es recht wenige Diebstähle auf der Insel gibt, sollte man doch lieber vorsichtig sein.«
Donnerstag, 23. Juni, 15.09 Uhr,
Dorfteich, Wenningstedt
Das schrille Klingeln fährt wie ein Messer in Fred Hübners Schlaf, es zerschneidet seine Träume und zerrt ihn in die Wirklichkeit. Hübner schreckt hoch, schafft es aber weder, die Augen zu öffnen, noch, sich in Zeit und Raum zurechtzufinden. Zunächst nimmt er nur dieses entsetzliche Schädelbrummen wahr, dann spürt er seine trockenen Lippen, die ausgedörrte Kehle und den monströsen Durst, der ihn plagt. Wieder einmal bin ich abgestürzt, denkt Fred und wähnt sich in dem bruchreifen Gartenhaus der Witwe Manthey, das er noch vor drei Jahren bewohnt hat, damals, als seine Trinkerei ihn täglich an den Rand des Wahnsinns trieb, ihm aber schließlich auch zu der Entdeckung des inselweit gesuchten Kindesentführers verhalf.
Mühsam öffnet Fred die verquollenen Augen und findet sich zu seinem nicht geringen Erstaunen in seinem Schlafzimmer unterm Dach des Wenningstedter Apartments wieder. Schlagartig wird ihm klar, dass es Jahre später
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