Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Füßen.
Natürlich weiß der Hauptkommissar, dass ein Ermittler vorsichtig mit Antipathien umgehen muss, trotzdem wird es ihm schwerfallen, bei der kommenden Vernehmung von der Unschuldsvermutung auszugehen, das ahnt er jetzt schon. Allein der Gedanke an die zu erwartende Reaktion der Flensburger Staatsanwältin Elsbeth von Bispingen auf die Freilassung des bisherigen Tatverdächtigen lässt Bastian Kreuzer hoffen, dass der Typ, der da oben so prominent logiert, sich ziemlich schnell ziemlich heftig verdächtig machen wird. Außerdem stachelt ihn die Anwesenheit von Silja auf dem Beifahrersitz zusätzlich an. Es wäre zu schön, wenn er in ihrer Gegenwart eine geniale Vernehmung gefolgt von einer schnellen Verhaftung hinlegen könnte.
Ein Seitenblick auf die Kollegin zeigt Bastian, dass auch sie unter Strom steht. Wenn dieser Manfred Pabst es nicht war, dann sitzen sie nämlich alle miteinander ganz schön in der Tinte. Ohne Spur, ohne Anhaltspunkt.
Aber noch ist es ja nicht so weit.
Mit einem scharfen Bremsen stoppt Kreuzer den Wagen vor dem letzten Haus der Straße. Auf dem kleinen Parkplatz stehen zwei Vans mit Berliner und Bremer Kennzeichen, die bestimmt Feriengästen gehören. Der protzige offene BMW mit nordfriesischem Kennzeichen ist vermutlich der Wagen des Analytikers. Außerdem parkt hier ein knallroter Kleinwagen, aus dessen Kofferraum eine gutaussehende junge Frau mit dunklen Locken einige Kisten hebt und auf dem Parkplatz stapelt. Gerade tritt ein großgewachsener schlanker Mann mit kahlem Kopf aus dem Hauseingang und schickt sich an, eine der Kisten hineinzutragen.
Bastian und Silja steigen gleichzeitig aus und gehen auf die beiden zu.
»Moin, moin. Dürfen wir kurz stören?«, fragt der Hauptkommissar knapp.
»Worum geht’s denn?«
Der Tonfall des Kahlkopfs ist nicht gerade verbindlich, also zückt Bastian seine Dienstmarke.
»Bastian Kreuzer, Kripo Westerland. Und Sie sind Herr Pabst, nehme ich an. Wir würden Sie gern sprechen.«
In einer wohldosierten Mischung aus Amüsement und Irritation hebt Manfred Pabst die Augenbrauen und wechselt einen kurzen Blick mit der jungen Frau. »In welcher Angelegenheit, wenn ich fragen darf?«
»Es geht um die beiden Morde am Westerländer Strand. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass wir nach Ihnen als Zeugen gesucht haben.«
»Moment mal. Sie haben ein Phantombild an die Medien gegeben, das mir ähnlich sieht. Das heißt aber noch lange nicht, dass Sie auch genau nach mir gesucht haben.«
»Sie haben sich schon intensiv mit der Sache befasst, wie schön«, antwortet Bastian spöttisch. »Aber wollen wir unsere Unterhaltung wirklich in Gegenwart der jungen Dame hier führen?«
»Warum denn nicht? Ich habe nichts zu verbergen. Und wenn ich vorstellen darf: Marleen Anding, meine Lebenspartnerin.«
Mit einem verliebten Lächeln deutet Pabst auf die Dunkelhaarige, die allerdings das Lächeln nicht zurückgibt, sondern seltsam angespannt wirkt.
»Okay, vielleicht können Sie uns ja sogar helfen«, wendet sich Bastian an die junge Frau. »Wohnen Sie auch hier?«
»Ich ziehe gerade ein. Aber liiert sind wir schon länger«, antwortet sie schnippisch.
»Na, das wäre sonst ja auch merkwürdig, oder?«, mischt sich Silja ins Gespräch.
»Was wollen Sie denn nun genau von mir?« Ungeduldig trommelt der Analytiker auf eine der Kisten. »Wir haben nämlich noch einiges zu tun.«
»Zunächst wüsste ich gern, warum Sie sich nicht bei uns gemeldet haben, wenn Sie doch gesehen haben, dass wir nach Ihnen suchen – oder nach jemandem, der Ihnen ähnlich sieht.«
»Das ist ganz einfach. Ich habe leider gar nichts zu Ihren Ermittlungen beizutragen, da wollte ich Sie nicht unnötig belästigen und mich über das unvorteilhafte Phantombild beschweren.«
Sein Versuch, durch ein unbefangenes Lachen die Situation zu entspannen, misslingt.
»Herr Pabst, damit wir uns richtig verstehen: Es geht hier um Mord. Zweifachen Mord sogar. Da ist es wenig komisch, wenn ein Zeuge, nach dem die Polizei dringend sucht, sich nicht freiwillig meldet. Im schlimmsten Fall kann Ihnen das sogar als Behinderung von Ermittlungen ausgelegt werden. Und das ist strafbar.«
»Jetzt lassen Sie die Kirche aber mal im Dorf, Herr Kommissar. Ich bin nicht der, den Sie suchen. Denn angeblich soll dieser Herr ja in der Mordnacht an der Tür von Hubert Mönchinger geklingelt haben. Ich war aber den ganzen Abend und auch die ganze Nacht lang hier. Meine Freundin und ich haben es uns auf dem
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