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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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warf zwei weitere Briefe weg.
    »Zu viele Fehler«, sagte er. »Wir wollen doch nicht noch einen Analphabeten für Judith.«
    Ich seufzte ein letztes Mal und ging in meine Wohnung hinauf.
    »Hast du noch irgendwelche Wünsche, die wir berücksichtigen sollten?«, riefen Mo und Rebecca mir nach.
    Ich sagte, es sei mir ganz gleich, aber wenn sie schon dabei wären, könnten sie auch gleich alle Männer über vierzig aussortieren. Oder über achtunddreißig. Mo und Rebecca wechselten einen zufriedenen Blick.
    Der Gedanke, dass Holger bei einer anderen plötzlich lauter Dinge tat, von denen ich gewollt hätte, dass er sie täte, oder lauter Dinge nicht mehr tat, von denen ich gewollt hätte, dass er sie nicht mehr täte, verfolgte mich penetrant und machte mich schließlich richtig wütend.
    Um mich abzulenken, ging ich auf den Dachboden zu den Gebeinen meiner Marionetten und begann, die Körper zusammenzuschrauben. Es war eine Heidenarbeit, obwohl Mo die Löcher für die Haken und Ösen bereits vorgebohrt hatte. Ich stellte mir vor, die Schrauben in Holgers Fleisch zu drehen und hatte auf diese Weise im nu alle Hölzer mit Gelenken versehen. Die einzelnen Stücke wurden ineinander gehängt und die Haken mit einer Zange zusammengebogen. Noch während der Arbeit wuchs mir eine dicke Hornhaut an den Fingern, zumindest da, wo sich keine Blasen gebildet hatten. Nach zweieinhalb Stunden hatte ich zwanzig kopflose Skelette fertiggestellt, war fast wieder aggressionsfrei und für meine Verabredung mit Oliver bereit. Er hatte in der Zwischenzeit ungefähr zwanzigmal angerufen.
    Ich überredete ihn, mit mir eine Modern-Dance-Per-formance im Tanzbrunnen anzusehen. Ich liebe Modernes Ballett, und weil die Karten für Studenten relativ erschwinglich waren, besuchten Katja, Bille und ich häufig Vorstellungen des Tanzforums. Oliver war einverstanden.
    »Hauptsache, ich unterhalte mich gut«, sagte er.
    »Du wirst nicht enttäuscht werden«, versicherte ich.
    Gutgelaunt und händchenhaltend harrten wir der als Weltstars angepriesenen Gasttruppe, die schon bald auf die Bühne gehuscht kamen - zu zirpenden Geräuschen aus den Lautsprechern. Die Tänzer formierten sich zu einer Reihe und begannen am Daumen zu nuckeln.
    »Sch, sch, sch«, skandierten sie dabei von Zeit zu Zeit und wiegten ihre Oberkörper vor und zurück.
    Ich erschrak zutiefst. Das war ganz eindeutig eine von den Darbietungen, für deren adäquaten Genuss mein Kunstverstand viel zu rückständig und meine Geduld zu rasch erschöpft war.
    Ich warf einen forschenden Seitenblick auf Oliver. Er sah aus, als hätte er Mitleid mit sich selbst.
    »Scho, scho!«, riefen die Weltstars auf der Bühne, »scho, scho, scho«, und bissen sich synchron in ihre großen Zehen.
    Oliver kratzte sich am Kopf. Ich hatte seinetwegen ein schlechtes Gewissen. Schließlich hatte ich ihm gute Unterhaltung zugesichert.
    »Komm, wir gehen«, schlug ich resigniert vor.
    Oliver erhob sich auf der Stelle.
    »Ich konnte nicht wissen, dass es so modern sein würde«, entschuldigte ich mich, als wir uns an den anderen Zuschauern vorbeigequetscht hatten.
    Unser Abgang verursachte einen Massenaufbruch in den Reihen. Nur einige wenige wahre Kunstkenner blieben, um den Weltstars beim Daumenlutschen zuzusehen.
    Um das Beste aus dem angebrochenen Abend zu machen, nahm ich Oliver mit nach Hause und teilte eine Flasche Sekt mit ihm, die im Gemüsefach des Kühlschranks seit Silvester überlebt hatte.
    Nach dem zweiten Glas rückte Oliver näher und begann mich übergangslos zu küssen. Es war schon lange her, dass ich das letzte Mal geküsst hatte, von den Versuchen mit Kai-Uwe mal abgesehen, und ich hatte nichts dagegen, es mal wieder zu versuchen. Schließlich hatte ich Oliver ja einen unterhaltsamen Abend versprochen, und so ließ ich den Dingen ihren Lauf.
    »Hui, schwarze Unterwäsche«, rief Oliver aus, als er sich durch meine Bekleidungsschichten gearbeitet hatte. »Du gehst ja ganz schön ran, was?«
    Ich besaß ausschließlich schwarze Unterwäsche, weil ich nach altbewährter Susanna-Methode noch vor ein paar Wochen sämtliche vergilbten Teile und alle ausgewaschenen Blümchenhöschen in der Waschmaschine eingefärbt hatte. Aber wenn Oliver glaubte, ich trüge extra ihm zu Ehren schwarz, sollte er doch ruhig. Obwohl er nach dieser Feststellung plötzlich den Lauf der Dinge unangenehm zu beschleunigen begann.
    »O, Mann, du bist ja eine ganz Heiße«, raunte er in mein Dekollete?.
    Er zerrte mich

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