Männer und der ganz normale Wahnsinn
ein wenig weicher und ein wenig glatzköpfiger. Und es offenbar völlig in Ordnung findet, dass sein T-Shirt über und über mit Traubengelee verschmiert ist. Er wackelt mit den Augenbrauen. „Ja, sie sieht toll aus.“
Paula versetzt ihm einen Schlag, ohne auch nur hinzusehen.
„Aber nicht so toll wie du, Babe.“ Er schlingt einen Arm um ihre Taille, legt eine Hand auf ihren Bauch und küsst ihren Nacken. „Je dicker du wirst, umso mehr will ich dich.“
„Herrgott Frank, die Kinder!“ flüstert Paula mit möglichst unbewegten Lippen, und als sie sich strahlend in seine Umarmung sinken lässt, bemerke ich, dass ihre Wimpern fast so lang sind wie ihre Ponyfransen. Dann schlägt sie auf Franks Hand. „Lass das jetzt und bring ihnen Tee. Und Nick, stell den Salat auf den Küchentisch. Wir nehmen ihn später mit nach draußen.“ Ihr Blick fällt auf mich. „Oder hättest du lieber einen Wein? Frank, haben wir beim letzten Mal Wein eingekauft?“
Auf halbem Weg den Flur hinunter bleibt Frank stehen und antwortet: „Ja, ich glaube schon, Baby, ich seh mal nach …“
„Nein, nein … Tee ist prima“, sage ich und versuche, nicht in Panik auszubrechen, als Nick das kleine Mädchen absetzt, mir dann die Handtasche von der Schulter streift und irgendwohin bringt, wodurch ich endgültig in der Falle sitze.
„Sicher?“ fragt Paula, ehrliche Sorge schimmert in ihren großen braunen Auen. „Was ist denn, Tiffany?“ sagt sie dann zu dem blonden Zwerg, der am Saum ihrer Shorts zupft. Das Kind antwortet etwas Unverständliches. „Na schön, dann geh. Es ist ja nicht so, als ob du nicht wüsstest, wo es ist. Und nimm deinen Bruder mit …“ Sie hebt den dunkelhaarigen kleinen Jungen von ihrem Schenkel und drückt seine Hand in die seiner Schwester. „Es ist schon wieder drei Stunden her, dass er gegangen ist. Ja, du gehst jetzt Pipi machen, Dominic, hör auf zu heulen. Es ist nämlich wirklich“, fügt sie nahtlos an, „überhaupt kein Problem für Frank, einmal nachzusehen …“
„Paula, entspann dich“, sagt Nick. Und schlingt einen Arm um meine Taille. „Du machst dieser armen Frau hier Angst.“
Paulas Blick verfolgt diese Hand-auf-der-Hüfte-Bewegung und richtet sich dann auf das Gesicht ihres Schwagers.
„Bei aller Liebe, Nick … diese wie hieß sie doch gleich? … ist nicht mehr aktuell, was? Seit wann? Seit zwei Minuten? Hör auf, diese arme Frau zu betatschen“, sagt sie, packt meine Hand und zieht mich von ihm weg. Ich weiß, dass ich in dieser Szene eine viel aktivere Rolle spielen sollte, aber das wäre so, als ob man versucht, auf ein Karussell aufzuspringen, das sich längst schon dreht.
Sie schiebt mich in den Landstil-Kitsch-Schrein, den sie Wohnzimmer nennt und in dem es nur so von Herzen und Comic-Bildchen wimmelt. Ich zucke zusammen, als Paula mein Kinn in die Hand nimmt und zu sich dreht, rühre mich dann aber nicht mehr, um keine bleibenden Narben durch ihre langen roten Fingernägel zu riskieren.
„Nick hat uns … alles erzählt. Mein Gott, du bist aber auch vom Pech verfolgt, das kann man wohl sagen. Geht’s dir gut?“ Gnädigerweise legt sie jetzt ihre Hand auf die Hüfte. „Meine Güte, was rede ich da, natürlich geht’s dir nicht gut. Dein Leben ist zum Teufel gegangen, wie könnte es dir da gut gehen?“
Nick nähert sich mir von hinten. Kommt sehr nah. Obwohl er mich nicht berührt, kann ich irgendwie spüren, dass er es gerne tun würde.
Dass es mir gefallen würde, wenn er es tun würde.
Ich wusste doch, dass ich nicht hätte kommen sollen.
„Sag mal, Paula“, meldet sich Nick zu Wort, „solltest du dich nicht lieber um deine Schwangerschaft oder so kümmern?“
Sie hebt die Hände. „Wieso? Was ist falsch daran, diese Frau zu fragen, wie es ihr geht? Nur zu deiner Information, Mr. Nick, das nennt man Höflichkeit. Du weißt schon, wenn man sich für seinen Gast interessiert? Der auch noch zufällig meine Cousine ist, auch wenn ich sie … wie lange nicht mehr gesehen habe? Fünf Jahre? Sechs? Frank!“ ruft sie in die Küche. „Wie lang ist es her, dass Ginger und ich uns gesehen haben?“
Frank kommt ins Wohnzimmer spaziert, in einer Hand ein Glas Tee, Wein in der anderen. Er reicht mir den Wein, Nick den Tee.
„Frag mich nicht. Vielleicht, als Justin zur Welt kam?“
„Ja, das stimmt. Und er wird im Oktober sieben. Meine Güte. Setz dich“, sagt sie zu mir. „Wir werden draußen zu Abend essen, aber bis dahin können wir uns unterhalten,
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